Re: Alela Diane

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gastrisches_greinen

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Ich steig dann auch mal wieder von dem rosaroten Wölkchen herunter, auf dem ich seit Donnerstag schwebe. Selten habe ich mich so gefreut auf ein Konzert, noch zusätzlich hibbelig durch all die aufwühlend schönen Beschreibungen der Auftritte in Paris (hier spielte Alela vor ausverkauftem Haus!) und München. Gerade zu klienicums Artikel gibt es soviel gar nicht hinzuzufügen, sehr prägnant hat er den reizvollen Kontrast zwischen der schwebenden, mädchenhaft zarten und ins ätherisch-mystische strebenden Mariee Sioux und dem eher geerdeten Folk Alela Dianes beschrieben, bei der all die lyrischen Verweise auf Tod und Wiederkehr eher wie selbstreflexive Chiffren auf die Rolle von Songs als generationsübergreifende Erinnerungsspeicher wirken. Dennoch möchte ich noch ein wenig Eindrücke anfügen.

Das Nachtasyl unter dem Dach des Thalia-Theaters bot eine hervorragende Location für ein so intimes Folkkonzert, steht man doch als Zuschauer fast unmittelbar um die Künstler herum gruppiert. Direkt neben der Bühne hatten Mariee und Alela einen kleinen Merchandising-Stand aufgebaut und es war ungemein einfach, mit den beiden in ein Gespräch zu kommen. Es mag sein, daß dieser Plausch mit den beiden äußerst freundlichen und umgänglichen, nicht zuletzt bezaubernd hübschen Damen nicht ganz unbeteiligt war an der rosaroten Brille, durch die ich das ganze Konzert in Folge wahrnahm…

Mariee spielte zuerst fünf Stücke, von denen lediglich die beiden ersten bisher veröffentlicht sind (Friendboats und Two Tongues). Mariee ist ganz traditionelle Geschichtenerzählerin, ihre Stücke wimmeln von naturmystischen Beschreibungen, die verwurzelt sind in indianischer Mythologie. Insofern haben ihre Stücke auch keine klassische Songform, sondern sind eher wie kleine Wanderungen durch ein sich permanent wandelndes Gelände. Mariee Sioux sitzt auf ihrem Hocker, die Augen in die Ferne gerichtet, ihre Stimme wandert halsbrecherisch über den virtuos schlingernden Pfad, den ihre Gitarre malt (das sehr beeindruckende Fingerpicking Mariees sei hervorgehoben – einziger Negativpunkt für mich, daß dieses Filigrane durch den Sound etwas verwässert wurde). Mädchenhaft zerbrechlich wirkt sie, zart und feinziseliert ihre Musik, ein bißchen aus der Zeit gefallen. Kaum ein Stück, das weniger als fünf Minuten dauert, jeder Song ist ein Ausflug und dafür muß man Muße mitbringen.

Stärker könnte der Kontrast zu der in ihren Kompositionen viel sparsameren Alela Diane nicht sein. Bei ihr landet jede Note auf dem Punkt, nichts wird zuviel gespielt, der Gesang sucht keine Verzierungen. Fest verankert steht sie gerade aufgerichtet mit ihren Stiefeln auf der Bühne, wirkt dennoch nicht hart, sondern eher in sich ruhend, wie sie mit fester, durchdringender Stimme ihre Stücke vorträgt. Und was für eine Stimme sie hat! Vielleicht ist es das, was mich unmittelbar an Alela so sehr berührt, diese zwar durchaus klagende, aber dabei ungemein warme Stimme, die wie aus einer anderen Zeit herüberklingt. Ihre Songs enthalten bei aller Traurigkeit immer auch ein Element des Trostes, wenn sie in Can You Blame The Sky? von den Müttern singt, die im Fluß Selbstmord begangen haben und ihre Kinder zurückließen. Die Songs erinnern sich an sie, bringen sie für kurze Zeit unter die Lebenden. Dieses Element der Erinnerung durchzieht den Großteil von Alelas Texten, der Gesang ist eine Tradition, die von der Mutter an die Tochter übergeht, immer weiter gereicht wird. Und so sind ihre Songs verwurzelt in einer Tradition, klingen zugleich diesseitig aktuell und angefüllt mit Vergangenheit.

Nach den ersten zwei Stücken gesellt sich Mariee Sioux zu ihr auf die Bühne und begleitet Alela als zweite Stimme, was den Kontrast in die Stücke trägt, Mariee hoch und zerbrechlich, Alela fest und durchdringend, wie zwei fest zusammengehörige Gegensätze, die sich künstlerisch ergänzen. Gespielt wird eine breite Auswahl aus den Stücken, die auf den beiden Veröffentlichungen erschienen sind. Als ein Fan ein Stück von ihrem nur im Selbstvertrieb erschienen Forest Parade fordert, ist sie sichtlich irritiert, daß jemand sich so sehr mit ihrer Diskographie auskennt. Red Tin Roof sei das erste Stück, daß sie je geschrieben habe, sagt sie, und sie erinnere sich kaum noch an den Text, spielt es dann aber trotzdem kurz an, schließlich lächelnd und entschuldigend abbrechend. Als sie nach Beendigung des regulären Sets noch zweimal auf die Bühne geklatscht wird, ist sie deutlich gerührt von all der Begeisterung, die ihr entgegengebracht wird. Es täte ihr so leid, nur für drei kurze Auftritte in Deutschland gewesen zu sein. Sie werde sicherlich bald wieder hier auftreten, sie möge die „Vibes“ hier sehr gern. Dann zieht sie sich hinter den kleinen Tisch zurück und wird sofort von einer Traube Menschen umlagert. Clau und ich schweben beseelt nach Hause.

Im Herbst wird es ein neues Album geben und vielleicht, so hoffe ich, ist sie dann ja bald wieder hier, dann vielleicht mit dem Rest der Musiker, die leider nicht mit nach Deutschland gekommen sind, mit Matt Bauer am Banjo und ihrem Vater. Ich werde in jedem Fall wieder hingehen.