Re: ROLLING STONE März 2008

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joachim-hentschel

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Bender RodriguezScheint ja auch eine recht gelungene „Rare Trax“ diesmal beigelegt zu sein. Chumbawamba zwar mit einer ihrer abgelutschtesten Schoten, aber dafür Mekons, The Ex, TMTCH’s wunderbares „Ironmasters“ (!) und „Shipbuilding“ (auch wenn man das nebenher schon auf einem knappen Dutzend weiteren Compilations hat…). Die Mimmi’s hätte man sich sparen können… Aber trotzdem fein, fein!

Hallo Bender, natürlich – kann leider nicht widerstehen, darauf noch hinzuweisen – sind die Mimmi’s und der bestimmte Chumbawamba-Track absolut unentbehrlich in diesem Zusammenhang: weil das Chumba-Stück eben nicht nur vordergründig auf Punk (die Herkunft der Band, die Attitüde) und Folk (z.B. der Gesang – man kennt auch die tollen A-Cappella-Stücke der Band) verweist, sondern auch inhaltlich: das von Dexys zitierte Intro („Burn It Down“), die Bob-Dylan-Thematik, die ja sogar übers reine Zitat hinausgeht, wenn sie daraus ableiten, dass ein echter Künstler-Anarchist eigentlich keinen geldgierigen Manager haben kann. Worauf dann ja ein Billy-Bragg-Stück folgt, in dem britischen Parlamentariern ganz ähnliche Vorwürfe gemacht werden, auf die Tune eines Dylan-Songs.

Oder die Mimmi’s, die hier natürlich ein bisschen stören: Aber es ist doch unglaublich, wie sehr sich ihr Stück und das von Camper Van Beethoven ähneln (der Refrain etc. sowieso, aber allein die Chöre in den Strophen!), obwohl diese zwei Bands sich damals sicher nicht gegenseitig wahrgenommen haben. Wie aber am Ende ausgerechnet das musikalisch offensichtliche Punk-Stück wie ein straighter Folksong funktioniert (die Mimmi’s haben ja auch mal Neil Young gecovert) und das Folk-affinere Stück von CVB eher zum Surrealismus neigt (und trotzdem – wie das Mimmi’s-Stück – in den späten Achtzigern als Anti-Nazi-Song eingesetzt wurde; ich kannte einige Coverversionen, bevor ich je das Original hörte).

Das ist musikhistorisch sicher alles nicht so überraschend. Trotzdem war es lustig, wie sich beim Kompilieren der CD nach und nach eine scheinbar zufällige Intertextualität ergeben hat: wie ich nachträglich gemerkt habe, dass die Mekons ihren Songtext in schöner Folkmanier komplett und ohne Credit vom 1943 geborenen aktivistischen Songwriter Ed Pickford „geklaut“ haben, wie im Text des Songs von Roger Manning neben The Clash auch Michelle Shocked vorkommt, die den Titel ihres eigenen Albums wiederum aus einem Billy-Bragg-Stück zitiert und einen ihrer Texas-Campfire-Songs zusammen mit einer Band von US-Hardcore-Pionieren neu aufnimmt, um die Plattenfirma zu schocken – die allerdings (da muss man wieder an Chumbawamba denken) den Gag schon so gut kapiert hat, dass sie die Version gleich noch mit auf die LP presst. Und so weiter.

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"Käpt'n, ich glaube, wir bekommen Besuch!"