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Nachträglich hier noch ein Bericht aus der FAZ:
Es ist nicht leicht, eine Legende zu sein
Von Michael Köhler
25. Februar 2008 Es gibt Künstler, die möchten so vielen Leuten wie möglich gefallen und ohne Ecken und Kanten den größten denkbaren Konsens erzielen. Billy Corgan, Gründer und Chef der „Smashing Pumpkins“, ist seit dem Durchbruch seiner Formation im Jahr 1991 vom Gegenteil fasziniert. Der mittlerweile 40 Jahre alte Amerikaner mit dem Hang zum Experiment fühlt sich wie nur wenige seiner Generation dem Ethos des Rock ’n’ Roll verpflichtet – dem lautstarken Protest gegen die gesellschaftliche Norm.
Hinter dem Aplomb der ganzseitigen Anzeige, die Corgan im Juni 2005 in der „Chicago Tribune“ schaltete, blieben die Zuschauerzahlen des Konzerts der „Smashing Pumpkins“ in der Frankfurter Jahrhunderthalle allerdings ein wenig zurück. Damals hatte Corgan nach dem desaströsen Scheitern seines Nachfolgeprojekts „Zwan“ und einem lieblosen Solowerk nichts Geringeres als die sofortige Wiedervereinigung der „Smashing Pumpkins“ gefordert: „Ich will meine Band zurück, und meine Songs, und meinen Traum.“ Sein Wunsch ging in Erfüllung.
„Nosferatu“ mit messianischen Zügen
Doch bleibt es fraglich, ob sich an eine erfolgreiche Vergangenheit mit mehr als 35 Millionen in aller Welt verkauften Platten einfach so wieder anknüpfen lässt. Mit Schlagzeuger Jimmy Chamberlin als einzigem weiteren originalen Mitglied in der reformierten Besetzung ließe sich Corgan zudem mühelos Etikettenschwindel unterstellen. Aber schließlich war das nun von Gitarrist Jeff Schroeder, Bassistin Ginger Reyes und Keyboarderin Lisa Harriton komplettierte Quintett ohnehin stets ein von Corgan dominierter Kreativspielplatz. Da erübrigt sich auch jede weitere Spekulation über gleichberechtigte Mitbestimmung im neuen Kollektiv.
Zum ThemaProvokationen egomanischer und anderer Art spielen in Corgans künstlerischem Dasein nach wie vor eine große Rolle. Allein sein Erscheinungsbild spricht Bände. Sein ausgemergelter Körper von fast zwei Metern Länge steckt in einer Kreation, die Galliano und Gaultier entzücken dürfte: silberner Maxi-Rock und hautenges Leibchen zu klobigen Schnürstiefeln. Übergroß der kahl rasierte Kopf, der, stets ein wenig nach vorne gebeugt, auf hängenden Schultern und über angedeutetem Buckel thront, eine von Max Schrecks grandioser Darstellung in Friedrich Wilhelm Murnaus Vampir-Groteske „Nosferatu“ inspirierte Bühnenfigur mit messianischen Zügen.
Von Pop-Art-Farbspielereien nebulös ausgeleuchtet, ackert sich die Formation durch einen bisweilen stürmisch gefeierten Lieder-Marathon. Allerdings fordern 28 von spärlichen Ansagen nur selten unterbrochene Songs einiges an Ausdauer und Geduld. Raffiniert als endloses Potpourri mit fließenden Übergängen konzipiert, aalen sich Klassiker wie „Tonight, Tonight“, „Bullet With Butterfly Wings“ und „Ava Adore“ in pompösen Arrangements arhythmischer Dissonanzen und kontrollierten Rückkopplungsgeheuls. Es gibt aber auch Ausnahmen, die melodiösen Unplugged-Intermezzos „Perfect“ und „1979“ etwa oder aber den Jazz-Standard „My Blue Heaven“.
Anachronismus statt „Zeitgeist“
Weit weniger Akzeptanz findet das Material des aktuellen Albums „Zeitgeist“. Corgans typischer Sarkasmus dürfte bei der Titelgebung eine maßgebliche Rolle gespielt haben, doch klingen die facettenreichen Stilanleihen von „United States“ und „That’s The Way (My Love Is)“ weniger nach „Zeitgeist“ als nach Anachronismus. Zudem gehört Corgan nicht gerade zu den begnadeten Vokalisten, auch wenn das nasale Genöle von einst einem wesentlich kräftigeren Stimmvolumen gewichen ist.
Kurios die Wahl von gleich zwei gegen den Strich gebürsteten Coverversionen, Uriah Heeps „Easy Livin’“ und Buffalo Springfields „For What It’s Worth?“ Aber Corgans Bewunderung für die Heroen des goldenen Rock-Zeitalters kennt ja ohnehin keine Grenzen. Deutlich tritt dabei sein eigentliches Problem zutage. Er wäre gerne eine ebenso sagenumwobene Legende wie die Idole seiner Jugend.
Mit den „Smashing Pumpkins“ schien er auf dem besten Weg, aber die solistischer Profilierungssucht geschuldete sechsjährige Zäsur hat größeren Schaden angerichtet, als vorhersehbar schien. Ohne die Band florierte die Karriere nicht, und das Publikum schaute sich nach passendem Ersatz um. Der erneute Weg an die Spitze dürfte ein schwieriger werden.
Text: F.A.Z.
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