Re: Graphic Novels

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 36,945

Friedrich[…]
Es ist für mich kaum nachvollziehbar, dass Comics in Deutschland immer noch so ein Mauerblümchendasein fristen. Einerseits – andererseits bin ich aber auch froh, dort etwas zu finden was noch nicht so sehr vom kulturellen Mainstream vereinnahmt ist und wo es dadurch immer noch was zu entdecken gibt. Es ist eigenartig: Eine Zeitung wie die FAZ schmückt sich damit, gezeichnete Kommentare von Art Spiegelman abzudrucken und damit auch das Medium Comic zu nobilitieren, aber auch ignorante und strunzdoofe Sätze wie “Niemand hat so viel für den Comic geleistet wie Art Spiegelman (…) 2012 soll endlich sein Befreiungsjahr werden.“. Au weia! Gleichzeitig kenne ich aber auch viele Leute, die sich für durchaus kultiviert und belesen halten, die MAUS nicht kennen. Ich wurde sogar mal gefragt, ob MAUS lustig sei? :krank: Na ja, eine alte Litanei …

Ich lese Platthaus manchmal ganz gerne, muss aber auch nicht mit allem übereinstimmen, was er so schreibt. Er schreibt zu recht, dass Spiegelman nach Maus nicht mehr viel gemacht hat und eine DVD mit hunderten Seiten Making-of muss ich auch nicht haben. candy hat es im Neue-Comics-Thread ja ganz gut beschrieben: man muss auch Comics jenseits von Platthaus und der Dussmann-Theke beachten.
Der Satz ist natürlich doof und Wasser auf Mikkos Mühlen, der mit Platthaus so gar nichts anfangen kann…

Friedrich
Vermutlich lässt sich mit Comics in Deutschland kaum Geld verdienen und es wird dann auch an der Übersetzung gespart. Quel dommage!

Ja klar, die Übersetzungen wären besser, wenn mehr Zeit und Geld da wäre, keine Frage. Ich bin aber der Meinung, die Übersetzungen könnten auch mit den gegebenen Mitteln besser sein.
Und ja, in Deutschland und durch aus Deutschland Stammende entstanden zwar die modernen Comics, aber nach den Bilderbüchern zum Ende des 19. Jhds hin ist hierzulande nie viel gewesen. Die Comics/Bildgeschichten hatten immer den Ruch des Kindlichen, Unernsten, das passte nicht zum Wilhelminimus, nicht zu der verkrampften Zwischenkriegszeit, in der es auch in der Kultur immer um alles ging, natürlich nie zum Nationalsozialismus und auch nicht zur nüchtern-verklemmten postfaschistischen Nachkriegszeit. Auch heute, so habe ich das Gefühl, ist Comic nie Selbstzweck, immer Mittel. Viele der deutschen Comics sind von Künstlern, die eigentlich in Malerei und Illustration arbeiten. Das wäre ok, die Golden Age der US-Comics wurde von Illustratoren gefertigt, aber die konnten erzählen. Heute wirkt das oft steif und unbeholfen – so als wäre der Comic nur Werbung für die eigene Malerei, Endstation Galerie. Ich kenne wenige deutsche Comics, die ich unbedingt haben muss. Ausnahmen sind Leute, die sich – kaum überraschend – explizit als Comic-Künstler verstehen wie Reinhard Kleist oder Ulli Lust.

tina toledoDanke Euch beiden für den interessanten Austausch. Ich werde mich mal um die französische Ausgabe bemühen.

Ist leicht zu beziehen und lohnt sich, schreib dann mal etwas dazu!

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.