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@ Ashitaka „Und ‚Save the Children‘ als „gräuslig“ zu beschreiben, trifft mich gänzlich unvorbereitet. Mich interessiert hier eine nähere Erläuterung von Dir, um das besser nachvollziehen zu können.“
Mhhmmm. Dann versuche ich es mal nachvollziehbar zu machen. Schritt eins: Ein Blick in den Text:
„I just want to ask a question
Who really cares?
To save a world in despair
There’ll come a time, when the world won’t be singin‘
Flowers won’t grow, bells won’t be ringin‘
Who really cares?
Who’s willing to try to save a world
That’s destined to die
When I look at the world it fills me with sorrow
Little children today are really gonna suffer tomorrow
Oh what a shame, such a bad way to live
All who is to blame, we can’t stop livin‘
Live, live for life
But let live everybody
Live life for the children
Oh, for the children
You see, let’s save the children
Let’s save all the children
Save the babies, save the babies
If you wanna love, you got to save the babies
All of the children
But who really cares
Who’s willing to try
Yes, to save a world
Yea, save our sweet world
Save a world that is destined to die
Oh, la, la, la, la, la, la, la
Oh, oh dig it everybody“
Mal ehrlich: Geht es plumper, platter, abgedroschener? Erdmöbel haben ja auf No. 1 Hits vorgemacht, wie hilfreich es ist, sich mit deutschen Übersetzungen dem sprachlichen Gehalt einer Hit-Vorlage zu nähern (Riecht wie Teen-Spirit macht um einiges unverständlicher, was an Nirvana so toll gewesen sein soll, ist aber eine andere Baustelle…) Mein Englisch is nich besonders klasse, reicht aber in etwa für folgendes:
Ich stelle nur eine Frage
Wer sorgt sich wirklich?
Eine Welt in Verzweiflung zu retten
Es wird eine Zeit kommen, in der die Welt nicht mehr singt
Blumen nicht mehr blühen, ne Glocke nicht mehr klingt (des Reimes wegen)
Wer sorgt sich wirklich?
Wer ist entschlossen zu versuchen eine Welt zu retten
die bestimmt ist zu sterben.
Wenn ich auf die Welt Blicke erfüllt es mich mit Kummer
Kleine Kinder von heute werden morgen richtig leiden
Oh, was für eine Schande, so ein schlechter Weg zu leben
Wer verantwortlich ist, wir können nicht aufhören zu leben
leben, leben für das Leben
aber lass alle leben
lebe das Leben für die Kinder
Oh, für die Kinder
Siehst Du, lass uns die Kinder retten
Lass uns alle Kinder retten
Rette die Babys, rette die Babys
Wenn Du lieben willst, musst Du die Babys retten
Alle von den Kindern.
Aber wen interessiert es wirklich
wer ist willens zu versuchen,
ja, die Welt zu retten
Yea, rette unsere süße Welt
Rette eine Welt, deren Bestimmung das Sterben ist
Oh, la, la, la, la, la, la, la
Oh, oh begreift es alle!
Präpubertäres Welterlösungsgefasel. Jeder deutsche Schlager ist treffsicherer. Es lebe „Ein bisschen Frieden“. Ehrenrettung für Ralf Siegel! Ich bitte Euch: Blumen, die nicht mehr blühen!!!
Schritt zwei: Musikalische Höreindrücke
Der Background-Chor des Liedes würde jeder James-Last-Platte alle Ehre machen und selbst den Soundtrack der nächsten Traumschiff-Folge veredeln, ohne als Fremdkörper aufzufallen. Das Gesäusel bei der Children-Baby-Passage kann man als Emphase deuten, oder einfach als nerviges Genöle in perfekter Übereinstimmung zur Grandezza des Textes. Und zum Schluss des Liedes sind wir musikalisch wieder am Anfang: Perfektem Easy-Listening.
Schritt drei: Vergleich
In der Phrasierung der ersten sieben Wörter von „The ghetto“ bringt Mavis Staples mehr zum Ausdruck, als Gaye auf der gesamten Platte. Wer „Save the babies, save the babies“ für ein politisches Statement hält, der höre sich mal „The revolution will not be televised“ von Gil Scott-Heron an, um zu erahnen, was möglich gewesen wäre. Aber nein, Mr. Gaye lammentiert lieber über verblühende Blumen und verklingende Glocken! Weitere Vergleiche, die Gaye als ziemlich bedeutungsloses Licht auf dem Welterklärungs- und rettungsfeld ausweisen: Message from a Black Man, Derrick Harriott; Don’t Call Me Nigger, Whitey, Sly & the Family Stone; I Am Somebody, Pt. 2, Johnnie Taylor. Den Vergleich mit „A change is gonna come“ stell ich gar nicht erst an, wer könnte den schon unbeschadet überstehen???
Wenn also „Whats going on“ als ein „biting political commentary“ [David Ritz in den Liner-Notes meiner CD] bezeichnet wird, dann mag das für den Kosmos von Motown sicher stimmen und seine Berechtigung haben. Es sagt dabei aber mehr über eben diesen Kosmos aus, als über sonst irgendetwas.
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