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Ich möchte auch meinen Senf loswerden. Allerdings eher in der Form, dass ich R.E.M. generell in Schutz nehmen möchte vor den ganzen Erwartungen, die man seit „Automatic For The People“ an die Band stellt. Zunächst einmal finde ich nicht, dass es für eine Band darum gehen sollte, einen einmal eingeschlagenen Weg beizubehalten – insbesondere, nachdem ein bestimmtes Werk in der breiten Öffentlichkeit und unter Kritikern als „Meisterwerk“ wahrgenommen wird. Es geht auch nicht darum, irgendetwas zu „toppen“. Es handelt sich schließlich – im besten Fall – nicht um eine sportliche Disziplin, sondern um Kunst.
Irgendwie ist es klar, dass in Rezensionen zum aktuellen Album – und zu einigen Alben zuvor – Vergleiche zu „Automatic For The People“ auftauchen und wiederholt festgestellt wird, das neue Album reiche daran ganz bestimmt nicht heran. Das ist unfair dem Künstler gegenüber. Künstler entwickeln sich, liefern Momentaufnahmen. Wenn Michael Stipe heute eher Hannah Schygulla als Kurt Cobain oder Patti Smith geil findet, dann sollte man Ihm dies zugestehen; ebenso Lyrik, die nicht mehr „mystisch“ und „kryptisch“ daher kommt. Ich finde es zudem immer sehr abenteuerlich, wenn Kritiker versuchen, über Künstler zu sagen, sie seien dies, und jenes seien sie ganz bestimmt nicht (mehr). Es gibt gute, mäßige und schlechte Musikkritik. Gut, wenn analysiert, historisch verknüpft, eingeordnet, Persönliches als Persönliches gekennzeichnet und abstrahiert wird. Schlecht, wenn auf eine Pointe hingeschrieben wird und Behauptungen aufgestellt werden, für die es einem Kritiker an Erfahrungshorizont fehlt. Mäßig, wenn beides nicht zielführend verknüpft wird. Wobei man zugeben muß, dass eine schlechte oder mäßige Musikkritik sehr unterhaltsam sein kann.
Worauf will ich hinaus? Das Subjektive ist – welch Überraschung – ausschlaggebend für die Bewertung eines Albums. Ist es nicht so, dass man oft Persönliches mit dem Hören eines Albums verbindet und dieses – auch Jahre später – entscheidend Einfluss auf die Bewertung dieses oder eines anderen Werkes hat? Wie soll man jemals ein neues R.E.M.-Album als essenzielles und „AFTP“ ebenbürtiges Meisterwerk ausmachen, wenn eine halbe Generation einschließlich man selbst zu „Everybody Hurts“ bei einer Abschlussfahrt zum ersten mal ge***** hat (Nein, ich meine nicht Frau Fuß!)?
Ich denke, ich verstehe Musikkritik richtig. Man begleitet den Kritiker bei seinen persönlichen Wahrnehmungen und Höreindrücken, rechnet diese mit seinen Eigenen gegen, subtrahiert zuvor natürlich jeglichen Absolutheitsanspruch und versucht sich vielleicht noch an einer historisch-qualitativen Einordnung, um so zu seiner eigenen Bewertung zu kommen.
Bei der Gelegenheit: „Until The Day Is Done“ hätte nahtlos in „AFTP“ gepasst – rein subjektiv betrachtet.
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