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Ich bin mir nicht sicher, ob das Problem wirklich richtig verstanden wurde. Dynamik ist der Unterschied zwischen leise und laut. Die CD kann dabei sogar ein größeres Dynamikspektrum wiedergeben als die Analogplatte (90 dB gegenüber 40 bis 75 dB). Es wird nur nicht ausgenützt, und im Zuge der „loudness wars“ immer weniger. Wenn man die die bisher mittellauten Töne zu lauten macht (weil dadurch der Soundeindruck insgesamt ein lauterer und kräftigerer wird), dann bleibt weniger Spielraum zu den sehr lauten Tönen. Wird also der (Durchschnitts-)Pegel erhöht, geh dadurch Dynamik verloren.
Dies ist an sich kein spezifisches Problem der CD, denn auch bei analoger Technik ist der Maximalpegel nach oben begrenzt, s.o. Die Pegelanhebung (verbunden mit Dynamikverlusten) kam jedoch in den 90er-Jahren, also in der CD-Ära, in Mode. Wahrscheinlich auch, weil die entsprechenden Manipulationen mit Digitaltechnik einfach leichter zu bewerkstelligen sein dürften.
Dynamikkompressionen gab es jedoch schon vor den „loudness wars“. Weil wirklich naturgetreue Dynamik auf keinem Medium möglich ist. Und wohl tatsächlich auch als Stilmittel. Ich denke da v.a. an Heavy Metal, habe allerdings keinen wirklichen Überblick über das Genre. Metallicas „Master Of Puppets“ (1986) ist extrem dynamikarm, trotz ziemlich moderaten Pegels. Der Dynamikmangel kann also keine Folge von übertriebener Loudness sein. Der Sound scheint mir genretypisch, bin aber wie gesagt eigentlich kein Metal-Hörer.
MikkoAlles schön und gut, Ah Um. Aber ich bin der Meinung, man muss nicht alles machen, was technisch möglich ist. Auch nicht in der Popmusik. (…) Und wenn Du Dir die folgenden Bilder anschaust, welches Musikstück bietet wohl angenehmeren Hörgenuss (ganz unabhängig vom musikalischen Content)?
Ich habe nicht gasagt, dass man es machen soll, nur weil man es machen kann. Nur, dass man es machen darf, wenn es vom Annliegen der Musik her sinnvoll erscheint. ZB bei Oasis, The White Stripes (ja, auch die machen das; wie’s auf Vinyl klingt, kann ich leider nicht nachprüfen; würde mich aber wundern, wenn’s dort anders wäre), The Stooges (der mit Verlaub endgeile 1997er-Remix von „Raw Power“ mit unglaublichen -4 dB!).
Ich kann also die Graphen bzw. den Hörgenuss gerade nicht unabhängig vom musikalischen Content beurteilen.
otis
Es geht nicht um die Naturtreue der Instrumente. Natürlich nicht.
Es geht darum, das hören zu wollen, was sich die Künstler und der Produzent vorgestellt haben, am besten noch, es so zu hören, wie sie es gehört haben.
Okay, da hast du einen etwas engeren Hifi-Begriff. „Hohe Klangtreue“ nur vom Masterband bis zur Stereoanlage. Davor darf manipuliert werden. Das ist im Prinzip der Standpunkt der Pop-Produzenten, und dagegen habe ich ja auch gar nichts. Ich habe die von Audiophilen gescholtenen Eingriffe ja sogar verteidigt. Aber man sollte sich den Unterschied klar machen. Wenn ein Streichquartett aufgenommen wird, gelten andere Regeln.
Und das war sicher auch im Fall Oasis nicht über eine billige Stereoanlage, vielmehr wird im Studio feinstes Equipment gestanden haben. Sprich sie haben es so gehört, wie wir es hören sollten über Hifi.
Mikko hat es im Prinzip schon gesagt: Musiker und Produzenten wissen in der Regel sehr wohl, für wen sie produzieren. Und das sind fast nie die Leute mit Stereolanlagen für 10.000€ – jedenfalls nicht bei Oasis.
Unabhängig davon sollte man die audiophile Neigung von Musikern nicht überschätzen. Die allermeisten machen sich wohl recht wenig aus High-End-Kram, auch nicht die Jazzer und Klassikmenschen. Du und Mikko ja wohl auch nicht, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
Und auch das Studio-Equipment ist nicht selten einer wirklich hochwertigen Heimanlage durchaus unterlegen.
Als ich „Morning Glory“ zum ersten Mal gehört habe, war das mit einem Kopfhörer AKG K-240. Das Gerät gilt seit Jahrzehnten als Klassiker und es ist noch heute tatsächlich in Tonstudios im Einsatz. Es kostet heute durchaus erschwingliche 100€. Vielleicht hat auch Noel Gallagher diesen Kopfhörer benutzt.
Der Kopfhörer klingt leider ziemlich schlecht, wie ich heute weiß. Sehr lahm und mit einer Tendenz zum Verwischen. Aber „Morning Glory“ klang ziemlich gut damit – erst recht für meine damals diesbezüglich noch recht unsensiblen Ohren. Wie – vorsichtig ausgedrückt – eigenwillig die Platte klingt, merkte ich erst, als ich mich Jahre später etwas näher mit Hifi beschäftigte.
Und damit verabschiede ich mich erstmal in die Feiertage und wünsche allen ein frohes Fest! :wave:
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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)