Re: Jazz in Fusion

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gruenschnabel

Registriert seit: 19.01.2013

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Diese Frage nach den Stilbegriffen ist schon etwas, dass m.E. die Musikwissenschaft beantworten können sollte. Wir alle benutzen diese Begriffe, die aber für mich keinen Sinn machen, wenn sie nicht aussagekräftig sind. Wie hier im Thread: Ich würde es toll finden, mal ’ne „echte“ (wenn auch keine repräsentative…) Jazzrock-Liste mit den großen Highlights so eines Genres zu sehen. Weil ich mich gerne verlässlich und schnell orientieren will in all dem für mich unübersichtlichen Wust. Und was wäre das Forum ohne funktionierende Begrifflichkeiten wie ‚Jazz‘, ‚Klassik‘, ‚Pop‘, ‚Rock‘, ‚Prog‘ usw. Nun finde ich mich hier in einem „Fusion“-Thread, in dem nicht mal klar ist, was ihn mit Jazzrock genau verbindet und sehe an allen Ecken und Enden Verunsicherung und letztlich ja auch Unzufriedenheit darüber, dass diese Begriffe nicht praktikabel scheinen. Hier kann niemand etwas dafür, aber die Historische Musikwissenschaft sollte da mal bitte helfen. Dafür ist sie doch da.

In diesem Fall würde ich in folgende Richtungen denken: „Fusion“ erscheint mir im Vergleich mit „Jazzrock“ als der weitere Begriff und könnte m.E. für die Grenzüberschreitungen des Jazz stehen, die nicht nur das Feld „Rockmusik“ betreffen.
Jazzrock nun müsste mit Blick auf die Entwicklungen der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre die Fusion musikalisch grundlegender Merkmale aus eben diesen beiden Richtungen sein. Kann man mit Behrendt weiterhin sagen, dass die Minimaldefinition des Jazz bis zu dieser Zeit die zeitlich-rhythmische Komponente des Swing, die Improvisation sowie die auf Individualität hin abzielende Tonbildung / Phrasierung ist?
Und grundlegende Merkmale des Rock waren doch seinerzeit die elektrische Verstärkung / Tonerzeugung, der weitgehend durchgängige und dynamisch hervorgehobene (Back-)Beat, die binäre Rhythmik, eine einfache – praktisch funktionslose – Harmonik und eine eher kurzatmige Melodik / Motivik mit einfachen repetitiven Mustern (Riffs, Slogan-artige Gesangslinien usw.).
Das wäre bislang – unter Mitberücksichtigung kontextueller Faktoren – mein Kriterienkatalog, solange ich nicht weiter belehrt würde. Und da passen Weather Report, Mahavishnu Orchestra und Miles Davis zu weiten Teilen ganz gut rein. Wer aus den Listen noch? (Ich kenne viel zu wenig.)
Oftmals gibt es im Jazzrock wohl Mischungen aus der binären sowie elektronisch geprägten Ebene des Rock und von Seiten des Jazz dann eben aus Improvisation sowie individueller Tonbildung / Phrasierung. Harmonisch dürfte es da eine ziemlich große Bandbreite geben im Jazzrock – allerdings hat II-V-I wohl auch hier weitgehend ausgespielt.

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