Re: What about Jazz?

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Anonym
Inaktiv

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Jetzt habe ich mich doch entschieden, hier zu schreiben, obwohl ich auch bei den Jazz-Neulingen gut aufgehoben wäre. Ich hatte – habe – zwei Einstiege in den Jazz, der erste lief vor rund 15 Jahren nebenbei und garnierte lediglich die klassische Musik (inzwischen 1700-2010), der andere und bessere seit einem dreiviertel Jahr.

Zunächst also lief es nebenbei: Ich hatte irgendwann etwas von Paul Bley aufgeschnappt und mir ungefähr so etwas gesagt wie: Gut, Chopin lebt noch, und also mich bei ihm etwas umgetan (Solo-Sachen, Duos und Trios mit Evan Parker, Barre Philipps, Paul Motian). Irgendwann brachten Freunde auch einmal Alben von Chet Baker, Miles Davis, Coltrane, Shepp und Bill Evans vorbei – heute müsste ich aber z. B. „Kind of Blue“ wieder hören, um zu sagen, ob mein damaliges „Gefallen“ einen guten Grund für mich hatte. Anders: Bei diesem ersten Einstieg entzündete und entpuppte sich nichts – trotz des Hörens und Hörens. Hätte ich nur diesen ersten Einstieg gehabt, so würde ich heute sagen, ich hätte mich eben getäuscht, eine Phase, und was man sonst so sagen kann zu Tagesaufregungen.

Ein systematischer Einstieg hätte mir aber auch nicht geholfen – obwohl ich gegen das Systematische nichts habe. Natürlich hatte ich „A Love Supreme“ gehört, und auch von Ornette Coleman – aber zu sagen, die sieben Male Supreme-Hören wären ernst gewesen oder Coleman hätte ich auch nur einmal ordentlich durchhören können, wäre Unfug. Es hat mich aber auch nicht gestört. Ich konnte mir kein Urteil bilden, also auch kein negatives.

Mit der klassischen Musik war es mir nicht anders gegangen: Immer krähte die Kralle aus Prag in ihrem lustigen Ton: „Wer sucht, findet nicht, aber wer nicht sucht, der wird gefunden.“ Es kam so herbei – und endlich auch im Jazz. Das war der zweite Einstieg, der zweite Anlauf zum Neuling. Weiß der Himmel, warum ich im Schweizer Radio eine Sendung über Cecil Taylor gehört habe, aber was heißt gehört: Ich habe sie drei-, viermal gehört, bin in den Plattenladen gerudert, habe dann doch, da ich Einiges brauchte, mir die Sachen als Downloads besorgt und nicht aufhören können. Und dann kam eins zum andern und als ich bei Armstrong war, musste ich lachen.

Taylor hatte wohl im letzten Sommer die Energie, mit der mich Mahler zurück gelassen hatte. Mahler hatte ich vor etlichen 25 Jahren zum ersten Mal gehört, ich erinnere mich an freundschaftliche Hörexzesse, als seien wir im Village Vanguard. Das verebbte irgendwann und ich musste also nach Jahren – das nächste Gefundensein – den Mann neu hören. Danach aber, nachdem mir jegliches Musikhören akademisch vorkam, einschließlich Mahler selbst, den ich mir lieber ins Gedächtnis rief als ihn tatsächlich zu hören, tritt Taylor auf und zieht mich an der Nase.

Und seitdem schwanke ich fort, versuche mich zu orientieren mithilfe von Behrendt/Huesmann und Kunzler, sehe im Netz nach und bastele mir meine Jazzmauer und ständig muss ich die Steine von unten nach oben, von oben nach unten usw. versetzen. Wie ein Kind prüfe ich nach nicht nachvollziehbaren Gründen jeden Stein, der mir gereicht wird oder den ich mir reiche. Ein Kanon guter Aufnahmen, guter Musik ist – gut; aber eine ordentliche Mauer ist individuell und hat seine Ferse.

What about Jazz? Inzwischen kann ich Jazz und Klassik nicht recht unterscheiden. Eine Zeitlang habe ich die Augen gekniffen bei dem Satz: Es gibt nur gute oder schlechte Kunst. Inzwischen mache ich sie eben auf.

Kurz: Auf „A Love Supreme“ bereite ich mich gerade vor.

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