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Peer Schader von Spiegel Online sagt:
Schaudershow des Teleshoppings
Kaufen! Sie! Jetzt! Queensberry heißt die neue Casting-Band von ProSieben. Gekürt wurde die Mädchenband im Finale von „Popstars“, einer dreistündigen Verkaufsshow nach perfidem Kundenfang-Rezept. Gewonnen haben dabei vor allem die Marketingtrickser des Privatsenders.
Vorher hatte Detlef „D!“ Soost sich schon ausgemalt, was alles Furchtbares schiefgehen könnte: „dass eine stolpert auf der Bühne“! Oder, schlimmer noch: „dass sich eine am Nebel verschluckt“, wie die Patricia bei der Probe, die dann ganz doll husten musste. Kaum auszuhalten wäre das gewesen, in so einer wichtigen Live-Sendung.
Es ist dann aber doch eine perfekte Show geworden. Also, im Sinne von: perfekt für ProSieben. Gut drei Stunden feierte der Sender am Donnerstagabend das Finale der siebten „Popstars“- Staffel, und dass das mindestens zwei Stunden zu viel waren, weiß niemand besser als der Sender, bei dem sie ziemlich geschwitzt haben müssen, weil am Ende des relevanten Inhalts noch so viele Werbebuchungen übrig waren, dass sich zwischendurch sogar Jurymitglied Sido beschwerte: „Wie? Schon wieder Werbung?“
Jetzt ist es geschafft. Queensberry heißt die neue „Popstars“-Band, die es diesmal schon lange vor dem Finale gab, weil bei ProSieben jemand auf eine naheliegende Idee kam: Warum sollten wir bis zum Ende der Show damit warten, eine neue Band zu promoten, wenn die beste Promotion doch die Show ist, in der sie entsteht? Also pickte sich die Jury in den vergangenen Wochen bereits drei Kandidatinnen heraus, die als Queensberry-Mitglieder gekürt wurden. Und ließ prompt das Debüt-Album „Volume I“ produzieren, um die Mädchen damit durch deutsche Einkaufszentren zu schicken.
Dass bis gestern noch nicht feststand, welche der drei übrig gebliebenen Finalistinnen die Band komplettieren würde, störte nicht weiter: ProSieben ließ einfach drei verschiedene Alben abmischen, und – zack: fertig war ein cleverer Marketingtrick.
Vor dem Finale im Jahr 2006 geriet es ProSieben noch zum Skandal, dass der Sender sein „Popstars“-Album frühestmöglich mit allen Mädchen produzieren und unterschiedliche Cover anfertigen ließ, bevor das Publikum seine Entscheidung getroffen hatte – das roch nach Verschwörung, obwohl es bloß kühl kalkuliert war: Nach dem Finale sollten möglichst schnell möglichst viele CDs verkauft werden, da durfte nicht mehr lange im Studio rumgeturnt werden.
Aus der Verschwörung hat ProSieben diesmal ein Geschäftsmodell gemacht, drei Alben mit drei unterschiedlichen Finalistinnen auf dem Cover, von denen jede betteln durfte: „Bitte kauft mein Album, dann komm ich in die Band.“ Seit einer Woche im Elektronikmarkt Ihres Vertrauens zu erwerben.
Ob die Verkaufszahlen – eine zusätzliche Stimme pro verkauftem Album – nachher wirklich entscheidend waren, hat ProSieben nicht verraten. Sonst hätte gestern ja keiner mehr für seine Favoritin angerufen. Wahrscheinlich ist es eh egal. Denn mit seiner neuen Masche hat ProSieben das Prinzip der Sendung endgültig dem Kommerz geopfert und sich dafür entschieden, eine Show nur noch für hartgesottene Fans zu machen. Das große Publikum ist irrelevant. Deshalb macht es auch nichts, dass die Quoten diesmal nicht mehr so gut waren wie vor zwei Jahren, als die Band Monrose zur Welt kam. ProSieben weiß: Es reicht, wenn die zuschauen, die jede Woche zuschauen, weil das auch die sind, denen man nachher was verkaufen kann.
Anders wäre diese Sünde kaum zu erklären: Was kann es bei einer Castingshow, die ja monatelang aufs Finale hinarbeitet und ihren Teilnehmern mit dem Blick auf diesen einen Tag immer wieder Höchstleistungen abverlangt, was kann es in einer solchen Sendung Langweiligeres geben als schon vorher die ersten Siegerinnen zu küren, die sich fortan zurücklehnen können, weil sie es schon geschafft haben?
Sicher: ProSieben zwang sein Publikum durch das Hinauszögern der Entscheidungen von Folge zu Folge, immer wieder einzuschalten. Aber für das sowieso oft reizarme Finale ist diese Taktik der Gnadenschuss: Drei Mädchen sind doch schon Queensberry, sie treten seit Wochen so auf, und jetzt kommt eine vierte hinzu. Das soll spannend sein? Wie gesagt: für Fans.
Alle anderen bekamen eine Zaubershow zu sehen: eine Sendung, in der ProSieben aus dem reinen Nichts drei Stunden Fernsehen zauberte, in der alle Anwesenden ein- bis dreimal auf die Bühne durften, um zu singen oder zu tanzen: erst die unvollständige neue Band, dann die drei Finalistinnen gemeinsam, dann Sido, dann die Finalistinnen einzeln, dann Jurymitglied „D!“, nach der Zwischenentscheidung die beiden möglichen Bandkonstellationen mit den übrigen zwei Finalistinnen, dann die letzten sieben Kandidatinnen mit ihrem Weihnachtssong – und ganz zum Schluss endlich die kompletten Queensberry, die im Februar als Vorband der Pussycat Dolls auf Tour gehen dürfen.
Um 23.10 Uhr gab Soost bekannt: die Zuschauer haben sich für Antonella entschieden. Sie gehört ab sofort zu Leo, Vici und Gabby, die aus einem unerfindlichen Grund alle die Hälfte ihres Vornamens abgeben mussten, seit sie „in der Band“ sind. „KayKay“ (Katharina) schied als erste aus und war – auch noch als sie im Publikum saß – in Tränen aufgelöst, zum Schluss scheiterte „Patze“ (Patricia), der vorher jemand die blonden Haare dunkel gefärbt hatte, wahrscheinlich, damit ihr niemand einen Vorteil gegenüber ihren dunkelhaarigen Kontrahentinnen andichten konnte.
Zumindest im Studio war Antonella von vornherein die Favoritin gewesen, und selbst die von ProSieben befragte „Musikexpertin und Viva-Moderatorin“ Collien Fernandes urteilte, sie fände Antonella am besten in der Band (die sie als Queensbury aussprach), „weil die von allen am schärfsten aussieht und man möchte ja nicht nur Mädchen ansprechen, sondern auch Männer“.
Im Grunde genommen war es ein Abend wie beim Teleshopping: die künstliche Aufgeregtheit, die überdrehte Stimmung, die vielen Aufforderungen von Moderator Oliver Petszokat, anzurufen, anzurufen, anzurufen – mit dem einzigen Unterschied, dass man als Zuschauer jetzt wenigstens keinen minderwertigen Messerblock oder Hochdruckreiniger geschickt bekommt, sondern bloß eine höhere Telefonrechnung. Für ProSieben mag „Popstars“ auf diese Weise ein Erfolg gewesen sein. Mit Fernsehen hat das alles aber nichts mehr zu tun.