Re: Zukunftsprognosen

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brundlefly

Registriert seit: 27.12.2008

Beiträge: 4,766

AlbertoFrüher wurde die Identitätsfindung der Jugendlichen wesentlich unter Verwendung von Musik durchgeführt.
Wenn man bei Tramper-Ticket- oder Inter-Rail-Fahrten mit fremden Ähnlichaltrigen in Kontakt kommen wollte, hat man über Musik geredet.

Heute werden beide Funktionen weitestgehend vom internationalen Fußball übernommen.

Wann war früher? Aus meiner Erinnerung raus war es vor 15 Jahren wie eine Sensation, wenn ich mal Leute traf, die auch Joy Division oder The Smiths kannten, sonst kannte die keine Sau. Okay, vielleicht insofern ein schlechtes Beispiel, weil beide Bands seitdem nochmal einen Popularitätsschub bekamen. Dennoch verbreitet sich durch die YouTube/Spotify-Kultur alles wesentlich schneller und auch Bands abseits der Charts können sehr bekannt sein – mit der möglichen Downside, dass eher oberflächlich Musik gehört wird. Andererseits: Auch „früher“ (damit meine ich ca. die Jahre 1999 bis 2005) waren die richtigen Musik-Freaks tendenziell in der Minderheit. In meinem erweiterten Freundeskreis gabs immer jede Menge Leute, die überdurchschnittlich hohe Musikfans waren oder selbst musizierten, aber darüber hinaus eher selten.

Was den anderen Punkt betrifft: Ich habe eher das Gefühl, dass Musik, oder besser Popkultur im weiteren Sinn (Clubs, etc.) eher als ice breaker taugt als Fußball. Letzterer ist bei großen Turniern natürlich überpräsent, da gibt’s dann auch die Event-Fans und es ist heute auch üblicher als noch vor zehn Jahren, dass Leute „ihren“ Verein haben. Aber es gibt weiterhin viele Leute, die Fußball prinzipiell hassen. Hingegen gibt es zwar massenhaft Squares, die „alles, was im Radio/auf der Betriebsfeier/im [insert:Studentenclub einer mittelgroßen Stadt] läuft“ hören, aber nur wenige Leute, die wirklich von sich behaupten: „Ich hasse Musik“.

Friedrich
Fußball ist mir persönlich ziemlich wurscht. Dennoch bezweifle ich, dass Sport, bei dem es in letzter Konsequenz immer um die schlichten Qualitätskriterien schneller, höher, weiter geht, als Medium für hoch differenzierende Sinnstiftung taugt. Ob Computerspiele, das Handy oder das Tragen der richtigen Markenkleidung das leisten kann?

latho
Das war doch in den 80ern und 90ern in den Schulen gang und gäbe, vor allem als Abgrenzung nach unten. Keine Ahnung, ob das noch so ist, ich vermute Klamotten reichen heutzutage nicht mehr aus.

In meiner Schulzeit gab es ja schon die Glaubenskriege Sega vs. Nintendo oder Amiga vs. MS-DOS. Vielleicht sind Games heute wirklich die Jugendkultur mit dem höchsten Identifikationsfaktor, weit vor Sport, Musik oder Internet. Bei meinen Nachhilfeschülern sehe ich, dass dies tatsächlich der kleinste gemeinsame Nenner ist, worauf sich alle – Jungs, Mädchen, Nerds, Jocks, „Drinnis“, „Draußis“ – einigen können. Die einen mögen Musik, die anderen Sport, manche interessieren sich für Tiere, manche schauen Serien, aber mit den populären Online-Games sind sie alle bestens vertraut. Es hat heute auch nicht mehr die nerdige Aura, wenn Anfang 20jährige mit ihren Konsolen zocken.

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