Re: Zukunftsprognosen

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Nicht_vom_ForumDer Austausch passiert im Moment zwar nicht mehr direkt nach dem Musikhören (i. e. Konzert), aber dafür in Zeitschriften, Fernsehsendungen, Websites, Foren, Blogs, etc. Ich habe eher den Eindruck, dass es im Moment mehr Austausch gibt als füher (genau wie generell mehr kommuniziert und gelesen wird, seit es das Internet gibt).

Ja, es gibt auf der einen Seite eine viel intensiveren Austausch über Musik als in der Prä-Internet-Ära. Dieses Forum hier ist ja ein gutes Beispiel.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele, viele Menschen, die sich so gut wie überhaupt nicht mit anderen über Musik austauschen. Ich brauche ja weder zum Musik hören noch zum Musik kaufen überhaupt vor die Tür zu gehen, sondern kann alles bequem am Rechner erledigen. Empfehlungen gibt mir amazon oder iTunes, vielleicht habe ich auch was im Radio gehört, das mir gefällt, das lade ich mir dann runter und fertig. Selbst ich habe ja Musik, die ich ganz für mich allein höre, von der niemand in meiner Umgebung weiß und über die ich mich nicht mit anderen austausche – oder keine Reaktion bekomme. Viele Hörer sind aber auch nicht willens und fähig, sich über Musik auszutauschen. Wenn du die fragst, warum ihnen etwas gefällt, sagen sie bloß „Ich find’s einfach supergeil!“ Und das ist nicht selten so.

Ich behaupte keineswegs, dass beim Hören von Musik das gemeinsame Erleben nicht wichtig ist. Im Gegenteil, mir selbst ist es sogar sehr wichtig. Ich behaupte aber, dass es für viele andere Menschen eben nicht wichtig ist und das es also auch ohne gehen kann und ohne geht.

Tja… sind Computerspiele Kunst? Die Frage wird jetzt auch schon mindestens 30 Jahre diskutiert. Die Fragestellungen sind dabei übrigens im Grunde die gleichen, wie sie bei der von Dir vorgeschlagenen Art von Musik auftreten würden.
Wie vergleicht man ein Spielerlebnis, wenn jeder Spieler eine objektiv unterschiedliche Erfahrung macht? Geht es um die gesamte „Spielwelt“ (bei Dir „Software“) oder um jeweils einzelne Ergebnisse und Handlungsstränge? Wo verläuft die Grenze zwischen reiner Unterhaltung und Kunst (bzw. Fahrstuhlmusik und Kunst)? Usw usf…

Vielleicht ist der Reiz eines Spieles eben genau der, dass jeder Spieler eine objektiv unterschiedliche Erfahrung macht? Dann wäre für mich die gesamte „Spielwelt“ relevant, die dies ermöglicht. Die subjektive Erfahrung ist ja sowieso immer eine unterschiedliche und was dem einen Fahrstuhlmuzak, ist dem anderen subtile Ambient Music, und was dem einem nichts als Lärm, ist dem anderen freie Improvisation in Vollendung. Es geht in diesem Forum ja schon los mit der Frage, ist Techno Kunst oder bloß Taktgestampfe.

Ich habe vor kurzem mal behauptet, dass das Anlegen eines gemeinschaftlich betriebenen öffentlichen Gartens ein Gesamtkunstwerk im Sinne der Beuys’schen Sozialen Plastik ist. Man verstand mich leider nicht, denn meine Gesprächspartnerin wusste nicht, wer Joseph Beuys war. :-(

Aber egal, der individuelle Kunstbegriff ist sehr unterschiedlich, unscharf und beweglich und das ist auch gut so. Ich behaupte es geht dabei nicht um das Medium, dessen man sich bedient, sondern wie man es tut. Und in diesem Sinne kann auch das Anlegen eines Gartens Kunst sein. Und vielleicht auch das Schreiben einer gemeinschaftlich nutzbaren Software. Oder das, was man damit machen kann.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)