Re: Zukunftsprognosen

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nicht_vom_forum

Registriert seit: 18.01.2009

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Friedrich
Die Art, wie Musik gemeinsam erlebt wird und wie man sich darüber austauscht ist permanent im Wandel und vor Erfindung des massenhaft verbreiteten Tonträgers wäre es unvorstellbar gewesen, dass jedermann ganz allein und für sich mit Stöpseln im Ohr seine eigene Musik in der U-Bahn hört und sich herzlich wenig darüber mit anderen austauscht.

Der Austausch passiert im Moment zwar nicht mehr direkt nach dem Musikhören (i. e. Konzert), aber dafür in Zeitschriften, Fernsehsendungen, Websites, Foren, Blogs, etc. Ich habe eher den Eindruck, dass es im Moment mehr Austausch gibt als füher (genau wie generell mehr kommuniziert und gelesen wird, seit es das Internet gibt).

Wenn Du sagst, ein „Stück“ kann alles zwischen Partitur, Aufnahme und freier Improvisation sein, würde ich noch hinzufügen, es könnte auch ein game piece mit ungewissem Ausgang sein. Also nur ein Regelwerk, über das Musik entwickelt wird. Könnte das vielleicht auch eine Software sein, über die man Musik generieren kann? Das wäre dann das „Stück“. Bei einem Literaturfestival hier in Berlin waren dieses Jahr auch Computerspiele ein Programmpunkt. Ich habe die Veranstaltung nicht besucht, aber der Gedanke, Szenarios für Computerspiele als Literatur zu betrachten ist reizvoll. Vielleicht ist das Schreiben von Musiksoftware vergleichbar mit dem Verfassen von Partituren? Man wäre dann nicht mehr Fan von Künstlern, Bands, Alben oder Songs, sondern Fan einer Software, die dir anhand ein paar veränderbarer Parameter deine persönliche Gebrauchsklangwolke generiert.

Tja… sind Computerspiele Kunst? Die Frage wird jetzt auch schon mindestens 30 Jahre diskutiert. Die Fragestellungen sind dabei übrigens im Grunde die gleichen, wie sie bei der von Dir vorgeschlagenen Art von Musik auftreten würden.
Wie vergleicht man ein Spielerlebnis, wenn jeder Spieler eine objektiv unterschiedliche Erfahrung macht? Geht es um die gesamte „Spielwelt“ (bei Dir „Software“) oder um jeweils einzelne Ergebnisse und Handlungsstränge? Wo verläuft die Grenze zwischen reiner Unterhaltung und Kunst (bzw. Fahrstuhlmusik und Kunst)? Usw usf…

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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick