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Bender Rodriguez
Ich möchte jetzt meine persönliche Sichtweise zu obigem Zitat von nail75 darlegen. Ja, es war mitunter eine ideologische Angelegenheit, dies gebe ich unverblümt zu – aber eine mit Herz und (manchmal mehr, manchmal weniger) Verstand. Tausendmal beschrieben (und ich muß es kein 1001. Mal wiederholen), daß die Popmusik Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger wirklich spürbar an einem Scheideweg angekommen war. Wer sich abgrenzen wollte, der begeisterte sich für neue, unerhörte Klänge, für New Wave, für elektronische Popmusik. Und wer wirklich bei der Stange blieb, der wollte noch mehr. Diese Musikbegeisterten grasten jede noch so unbekannte Veröffentlichung ab, so „Indie“ sie auch sein mochte, Hauptsache es war aufregend neu – und nicht dem „traditionellen“ („Mainstream“-)Rock verbunden, der natürlich aus = „ideologischen Gründen“ abgelehnt wurde. Und warum? Eben darum, weil man vielleicht seine eigene Jugendkultur ausleben mochte, nicht den piefigen Rock der vorhergehenden Generation, bzw. die Gitarrensoli der älteren Brüder bewundern mochte. Die hatten sich doch auch durchfressen müssen. Nur war deren Generationskonflikt keine Populärmusik vs. Populärmusik-Nummer, sondern damals war deren „Feind“ das Elternhaus, das jeden Akkord einer elektrischen Gitarre als „Negermusik“ bezeichnete. Und diesmal? Diesmal war Rock die etablierte Kunstform, die von älteren Semestern ins Feld geführt wurde – gegen den Untergang des Abendlandes, sprich Popmusik, die die nachfolgende Generation interessierte. Da wurden eben „Virtuosen“ wie z.B. E.L.P. zu monströsen Urviechern, die eine zum Grossteil nicht weiter an den kommenden populärmusikalischen Entwicklungen interessierte Hörerschaft über alle andere Kunst stellte.
Ich kann bestätigen, daß ebenfalls nicht wenige der Szeneinvolvierten richtige Musikautisten wurden, die (z.T. bis heute) nur ihren Stil vor Augen haben – und dadurch keinen Deut besser (und genauso unbelehrbar) bleiben, wie der „Früher-war-alles-Besser“-Sixties-Stehengebliebene. Davon distanzierte ich mich rechtzeitig, ich nahm weiterhin neue Musiksparten, Bands und Stilrichtungen gierig auf, bis zum heutigen Tage. Daß manches davon mir nicht zusagt, dürfte auf Verständnis stossen. Zeigt mir denjenigen, der wirklich ALLES gut findet… Eben!
Daher geht mir die ständige Präsenz der Ewiggleichen schon gehörig auf den Nerv, und wie Dick Laurent schon sehr richtig schrieb, 3 x im Jahr ausführlicher in Musikgazetten etwas über Joy Division oder Echo & The Bunnymen zu lesen, muß ich auch nicht haben! Es gibt noch soviel Unentdecktes oder Vergessenes in der Musikhistorie – auch in der jüngeren – das Wert ist, darüber zu berichten. Denn, wenn das wirklich so sein sollte, daß die heute ca. Zwanzigjährigen nicht mit zeitlichen Maßstäben, bzw. Limits an die Materie herangehen, so dürfte es sie umso mehr interessieren. Dann müsste nicht Bender R. befragt werden, wer Throbbing Gristle war, sondern die Band wäre einem Großteil der Forumskollegen genauso geläufig wie z.B. Calexico – Interesse vorausgesetzt…@joachim Hentschel: Fünf relativ aktuelle Künstler/Bands, über die auch ich (ich weiß, ich bin nicht Dick Laurent, aber trotzdem…) mehr als drei Seiten lesen würde? (Aber weniger Seiten dürfen’s meinetwegen auch sein… )
Here we go:
Belle & Sebastian
British Sea Power
The Coral
Interpol
Animal Collective/Panda Bear…und nicht so aktuell, aber wieder im Aufwärtstrend: Current 93 (ein frommer Wunsch: Special! – ich weiß, jetzt gerade bin ich vermessen… – aber gehörig, und mir tut’s nicht mal Leid… ;-))
Den Wünschen nach ausführlichen Artikeln über diese Bands schließe ich mich an. Weiterhin finde ich den Vorschlag sehr gut, abgelegenere Künstler zu durchleuchten. Ein Beispiel: Der „Suicide“ Artikel im neuen MOJO hat mich spontan neugierig gemacht. Es kann zwar noch Jahre dauern, bis das Früchte trägt, aber es wird irgendwann Früchte tragen.
Hier sind meine Wünsche:
Modest Mouse
Gillian Welch
Low
John Cale (gab es das schon mal?)
My Morning Jacket
The Hold Steady
Duke Special
Neko Case/New Pornographers/A.C. Newman
Richard Thompson (Special)
Sigur Ros
John Prine (Special)
Pavement (Special)
The Decemberists
Andrew Bird
Super Furry Animals
Yo La Tengo (Special)
The Shins
Danke für die ausführliche Erwiderung, Bender. Ich denke eben, dass es auch irgendwie dazugehört, sich abzugrenzen, insofern ist der Bruch zwischen Rock und Indie-Fans irgendwie zwangsläufig. In dieser Schärfe war er aber vermutlich nur in einer ideologisch so aufgeheizten Zeit denkbar. Man merkt das ja noch hier im Forum. Heute gibt es andere Formen der Abgrenzung, aber die Sache ist nicht mehr ganz so verbissen – zum Glück.
@mick: Es ist aber auch oft schwer über Musik zu schreiben. Echt schwer. Aber das meinte ich gar nicht. Ich meinte, dass in den entsprechenden Kritiken von Franz Schöler wichtige formale Informationen fehlten. Wie beispielsweise, dass das Aretha Franklin Set Outtakes der Atlantic-Jahre enthält.
@dengel: Danke, ich glaube Dir!
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.