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@ klienicum:
Danke der Nachfrage. Das schöne Wetter trieb mich in mein letztes Mal in den Biergarten, daher der verspätete Bericht. Gestern war es etwa so:
Vater Feist ist abstrakt-expressionistischer Maler. Das merkt man auch Tochter Leslie an – da ist diese Lust an Spontanität, Veränderung und Neuerschaffung. Kaum ein Stück ihres 75-minütigen Auftritts klang so wie auf Platte. Feist phrasierte immer wieder anders, zerlegte Melodien, setzte Betonungen neu – und forderte ihr Publikum mehr als ihm lieb sein konnte.
Natürlich gab es in den ersten Reihen ein paar beinharte Fans, die immer an den richtigen Stellen mitsangen. Die große Mehrheit aber, augenscheinlich Leserinnen von Frauenzeitschriften, 30+, die von ihren Freunden begleitet wurden, hatte es schwerer – sie brauchten jeweils ein paar Sekunden, bis sie selbst bekannte Stücke wie „I Feel It All“ oder „1234“ identifiziert hatten. Das tat der guten Stimmung aber keinen Abbruch – jede Gelegenheit zum Mitmachen wurde dankbar angenommen. In diesen Momenten beherrschte die 31-jährige Kanadierin die Halle. Ihre vierköpfige Begleitband spielte dazu kompakt und leichtfüßig –vor allem der Trompeter/Keyboarder links und der Gitarrist/Keyboarder rechts unterstützten Feist in ihrer Idee der permanenten Wandlung. Höhepunkt: „Sealion “, das in seiner Ausgelassenheit wie eine meditative Improvisation, vielleicht auch wie eine improvisierte Meditation, wirkte – da bin ich nicht so sicher.
Auch in den ruhigen Momenten, wenn Feist allein mit der zu groß wirkenden halbakustischen Gitarre auf der Bühne stand, wirkte sie souverän und selbstbewusst. Wohl eine Folge des Erfolges, den sie dieser Tage genießt – auch das Konzert in der Münchener Elserhalle war ausverkauft. Doch die ruhigen Momente, immerhin gut die Hälfte des Konzertes, waren zugleich die Schwachstelle – die Halle war dafür viel zu groß. Diese Lieder hätten die intimere Atmosphäre eines kleineren Clubs gebraucht. In der Elser-Halle trugen sie nicht – zumindest nicht bis zum Pult, wo dieser Beobachter zuhörte. Dort genoss er klarsten, nie zu lauten, dennoch druckvollen Sound. Der Mischer hatte es leicht, denn die Band spielte relativ leise, mit dem Vorteil, dass Raum für Dynamiksprünge blieb; eine Chance, die sie bewusst und gern nutzte.
Nur einmal gab es eine hässliche Rückkopplung. „Autsch“, rief Leslie Feist verblüfft, sprang einen Schritt vom Mikro zurück und riss sich ihr In-Ear-System heraus. Kurzes Ohrreiben. „Über dieses Gerät spricht der amerikanische Präsident zu mir. Wir haben eine sehr enge Beziehung. Tatsächlich ist es so, dass er mir darüber alle Texte diktiert – deshalb sind sie so komplex und tiefsinnig“. Doch Feist ist nicht nur schlagfertig und selbstironisch. Sie ist auch phantasievoll und originell – und machte so live einen ebenso guten Eindruck wie auf Platte. Ein abwechslungsreiches und vielseitiges Konzert, das in einer kleineren Location herausragend gewesen wäre.
:wave:
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„Weniger, aber besser.“ D. Rams