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Kai BargmannWie ah-um doch so richtig anführt: Man wird verstanden, wenn man zeitlos sagt.
Wird man das tatsächlich? Zum Großteil wird es doch im Sinne von „kann man immer wieder mal hören“ oder „ein Klassiker“ gebraucht. Während ersteres die innenwohnende Subjektivität nicht verschweigt, gaukelt der „Klassiker“ genau wie die „zeitlose Schönheit“ eine Pseudo-Objektivität vor.
Die von Dir weiter oben erwähnten Begriffe wie „Briefmarke“ oder „Geisterfahrer“ sind zwar auch falsch oder ungenau, aber hier weiß man in der Tat, was damit gemeint ist.
Wie otis schon in puncto klassicher Musik geschrieben hat, gibt es wohl kein Kunstwerk und keine Epoche, die sich über die Jahrhunderte/ Jahrzenhte hinweg immer der gleichen Wertschätzung erfreute. Wenn man von der zeitlosen Schönheit einer gotischen Kathedrale schwärmt, würde es ganz schnell Steine aus der Barock-Ecke hageln.
Das heißt eine historische Kontinuität im Sinne einer allgemeinen, stetig andauernden Wertschätzung gibt es nicht.
Auch die Verwendung von „zeitlos“ als subjektives Qualitätsmerkmal ist ziemlich schwammig, denn „London Calling“ bedeutet heute etwas anderes für mich als zum Zeitpunkt des Erscheinens. Das Album ist nicht zeitlos schön, es hat mir zu jeder Zeit etwas bedeutet, wenn auch immer etwas anderes. Das ist keine Kontinuität und kein Schweben über allem Irdischen, wie einem das Wörtchen „zeitlos“ weismachen will. Das Album muss sich bei jedem Auflegen neu beweisen.
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What's a sweetheart like me doing in a dump like this?