Startseite › Foren › Das Konzert-Forum: Wann, wer und wie › Und so war es dann › Paul Weller – Hamburg 19.09.07 › Re: Paul Weller – Hamburg 19.09.07
und noch die Welt:
21. September 2007, 00:00 Uhr
Von Mark Behrendt
Großartiger Nostalgie-Abend in der Laeiszhalle
Britpop-Legende Paul Weller lässt das Prinzip B-Seite aufleben
Wenn männliche britische Touristen im Kumpelpulk Hamburg besuchen, dann zählt neobarocke Architektur normalerweise nicht zu den Höhepunkten ihres Besuchsprogramms. Es sei denn, sie sind angereist, um ihren hochverehrten Paul Weller, den Prinz Eisenherz der jüngsten 30 Jahre britischer Rockgeschichte, einmal in einem ganz anderen Rahmen zu erleben: Im Blattgoldcharme der Laeiszhalle, unter der mächtigen Orgel. Bestuhlt, gemütlich, nur die Bierbuddeln müssen leider draußen bleiben, da sind die jungen Damen vom Ordnungsdienst ganz eisern.
Aber was heißt hier eigentlich erleben? Eine Messe wollen sie mit ihrem Paul Weller feiern. Eine, in der sich stille Verehrung und lautstarkes Aufspringen die Waage halten: Immer wieder reißt es einzelne Briten aus den Sitzen: Mal um den Künstler grölend zu preisen, mal um sich durch die Sitzreihe zu quälen, weil eines der vielen Vorfreudebiere zwickt. „Variations on a Dream“ lesen wir auf den Eintrittskarten, ist das Thema des Abends: Paul Weller and Steve Cradock – An Acoustic Evening of Varied Music“.
Akustisch kennen wir, da werden die alten Hits in Lagerfeuermanier heruntergeschraddelt und alle singen und klatschen mit. Aber was bitteschön soll daran mannigfaltig sein? Die Antwort darauf gibt uns Paul Wellers Begleitung Cradock. Nicht zufällig hat Weller seinen Gitarristen in die Mitte der Bühne gesetzt und sich bescheiden daneben platziert: Was Cradock an seinen sechs- und 12-Saitigen akustischen und einer roten Gibson E-Gitarre veranstalten wird ist manchmal atemberaubend orchestral, manchmal auch nur wunderschön schlicht. Es ist, als setze er heute all die musikalischen Farbtupfer, die er als Mitglied der vielleicht langweiligsten Britpop-Band aller Zeiten, Ocean Colour Scene, zu setzen vergaß.
Auf offener Bühne schmökt und säuft sich Paul Weller die Stimme noch ein wenig souliger und wird der ihm entgegengebrachten Verehrung mit dem 100-minütigen Vortrag mehr als gerecht. Vielleicht gerade, weil er kein Greatest-Hits-Programm abspult, niemand mitsingt und schon gar keiner mitklatscht. Seine Zeit bei The Style Council bleibt in der Mottenkiste, aus Jam-Zeiten bringt der die B-Seite „The Butterfly Collector“.
Das gefällt einer Besuchergeneration, die sich noch an gut das Prinzip „B-Seite“ erinnern kann: An altes Vinyl, an Schätze, die es zu heben galt, die aus alten Kisten voller Musik hervorgekramt werden wollten. Genau das tat Weller mit den Schätzen aus seinem Solo-Oeuvre: Immer entdeckend, an keiner Stelle nostalgisch. Ein großartiger Abend. MGB