Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Gibt es objektive Kriterien für die Beurteilung von Rock/Popmusik › Re: Gibt es objektive Kriterien für die Beurteilung von Rock/Popmusik
OK, dünnes Eis – ich versuch es trotzdem mal:
Für mich persönlich sind objektive und subjektive Bewertungsmerkmale gleichwertig. Für jeden Kritiker gelten zumindest unbewusst immer beide. Ich glaube dass es keinen Kritiker gibt, der seine persönliche Rezeptionsgeschichte ausblenden kann und nur nach objektiven Kriterien einordnet, selbst wenn manche dies behaupten.
Unter die objektiven Bewertungsmaßstäbe würde ich folgende einsortieren:
Musikalische Qualität – sicher bei Klassik und Jazz jeweils anders als bei Popmusik zu bewerten; ich verstehe darunter z.B. die Komplexität der musikalischen Struktur (wobei niemals Komplexität um ihrer selbst willen gemeint ist – es gibt simples, das schwierig klingt um zu beeindrucken (vieles im Prog) oder äußerst komplexes, das sich regelrecht in die Gehörgänge einschmeichelt (z.B. Mozart oder Burt Bacharach), Melodienreichtum, rhythmische Komplexität, Beherschen des Instrumentariumns und des musikalischen Materials, Vermeiden von Klischees, etc.
Authentizität – ist die Musik zum Zeitpunkt des Entstehens glaubwürdig und aus dem eigen Erleben gespeist, basiert sie auf Wurzeln, die der Interpret/Komponist verarbeitet und verinnerlicht hat, auch die sog. Street Credibility im Pop/Rock gehört dazu
Originalität – inwieweit trägt der Komponist/Interpret etwas neues bei, überwindet er seine Vorbilder oder wiederholt er nur Bekanntes
Bei Songs kommt die textliche Qualität dazu sowie das Zusammenspiel Text und Musik
Soweit die objektiven – es gibt sicher mehr aber das sind die für mich wichtigsten.
Nun zu den subjektiven Kriterien:
hier gibt es sicher zu viele, um sie alle aufzuzählen; einige Beispiele:
Eigener musikalischer Hintergrund, womit bin ich aufgewachsen
Stilistische Vorlieben
Kultureller Hintergrund
Soziales Umfeld
sollen als Beispiele genügen.
Heutzutage zerfällt gerade die Jugendkultur in hunderte von Microscenen, die jeweils nur die eigenen Vorlieben gelten lassen. Es gibt immer weniger Popmusik, auf die sich alle einigen können – wie zu Elvis Zeiten oder zu Zeiten der Beatles (vor Rubber Soul, danach scheiden sich die Geister).
Ich persönlich versuche, meine musikalische Bandbreite so breit es mir eben möglich ist auszuweiten. Deshalb will ich auch immer wieder neues hören. Mir genügt es nicht, die Sachen mit denen ich aufgewachsen bin immer wieder rauf und runter zu hören. Ich möchte mich immer mal wieder herausfordern lassen und gehe dann wieder gerne „back in time“.
Soweit zu meinen persönlichen Maßstäben. Bin gespannt wohin die Diskussion noch führt.
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