Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Adaption fremder Musikstile oder: "Können Deutsche auch Country"? › Re: Adaption fremder Musikstile oder: "Können Deutsche auch Country"?
Herr RossiUm nochmal auf Country zurückzukommen: Das ist doch keine Musik, die auf einer einsamen Insel entstanden ist, deren Bewohner seit 5000 Jahren keinen Kontakt zur Außenwelt hatten. Es ist Musik von Nachkommen europäischer Auswanderer und hat sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Genre konstituiert. Die Wurzeln liegen doch wohl in europäischen Musiktraditionen plus Einflüssen afroamerikanischer Musik.
Genau.
Guter deutscher „Country“ ist m.E. gleichbedeutend mit deutscher Volksmusik jenseits des Musikantenstadls. Muss man nicht mögen, aber ein klassischer Landler auf der Zither und Gitarre hat einen Charme, den man auch in alten US-Country-Songs finden kann. Kein Wunder, sind doch die Einflüsse europäischer Volksmusik auf den Country offensichtlich – vom Yodeln a.k.a. „blue yodel“ bis hin zum Gitarrenspiel von Willie Nelson, das für mich bei manchen Instrumentals verblüffende Parallelen zu deutscher traditioneller Volksmusik aufweist. Insofern hielte ich es auch für denkbar, dass deutsche Volksmusiker sich wiederum von Country inspirieren ließen. Warum sollte das eine Einbahnstraße gewesen sein?
Ich finde übrigens die Projekte von Hubert von Goisern durchaus sehr beachtlich. Zwar gefällt mir davon vieles nicht sonderlich, aber er hat es tatsächlich in seinen besten Momenten geschafft, seine Volksmusik mit amerikanischen (und sonstigen weltmusikalischen) Einflüssen zu etwas Neuem zu verschmelzen, was für mich schlüssig und tief empfunden klingt. Sein Cover von „Georgia on My Mind“ – bei ihm „Goisern“ – ist z.B. durchaus gelungen. Und wenn er irgendwann noch eine Steel dazu packt, muss das auch nicht schlecht sein.
Weiteres Beispiel: Achim Reichel hätte nach meiner Überzeugung das Potential, eine gute deutsche Country-Platte aufzunehmen, wenn er mal die richtigen Musiker und Produzenten um sich scharen würde. Er hat immer wieder gezeigt, dass er ein aufrichtiges und tief empfundenes Interesse an musikalischen und lyrischen Traditionen und deren Fortentwicklung hat, leider hat er in den seltensten Fällen eine adäquate musikalische Umsetzung hinbekommen.
Mit Fink & Konsorten habe ich eher Probleme, weil das halt einfach nur urban geprägte Rockmusiker sind, die sich aus Laune bei Country-Versatzstücken bedienen – ohne Umweg über die eigene Tradition. Da fehlt für mich ein wesentliches Element der Country-Musik, wie man das auch nennen will – Tradition, Seele, Verwurzeltheit. Würde ich allerdings auch nicht pauschal verdammen wollen, habe da bisher nur nichts deutsches gefunden, was mich wirklich berührt.
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