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nail, Deine Darstellungen zum europäischen Jazz fußen auf einem Jazz-Verständnis, das wesentlich weiter gefasst ist als das, welches atom, kramer und auch ich teilen; habe mich mit beiden sehr ausführlich darüber ausgetauscht. Ich habe es mal anderswo geschrieben, ob das atom und kramer in dieser Schärfe so teilen würden, weiß ich nicht: Im Jazz ist nach Tranes Tod nichts von Bedeutung mehr passiert. Mein bzw. unser Bild vom Jazz ist sicher so eng, dass man es als dogmatisch bezeichnen mag.
Hier allerdings zu unterstellen, dass atom bzw. kramer sich „Thesen“ gezielt so zurechtlegen, dass man europäische Musik generell ausschließen kann, halte ich für gewagt und falsch. Vielmehr wird es wohl so sein, dass sich natürlich auch mit dem beschäftigt wurde, was als europäischer Jazz bezeichnet wird. Daraufhin wurden dann Schlüsse gezogen, eine Entwicklung erkannt und unüberbrückbare Gegensätze und Widersprüche festgestellt.
Ich will nochmal bekräftigen: amerikanische Musiker haben auch in Europa gute Aufnahmen mit hiesigen Musikern gemacht. Aber nichts davon hat die Qualitäten ihrer besten amerikanischen Aufnahmen. Und dass Powell auch in den USA schlechte Aufnahmen gemacht hat, tut dabei nichts zur Sache. Und die Gründe für Powells, Gordons etc. Exilsuche dürften wie schon gesagt kaum musikalischer Natur gewesen sein.
Okay, es gibt europäische Jazzer, die ein gewisses Niveau erreicht haben, Michelot und Orsted-Pedersen etwa, um bei von Dir genannten zu bleiben. Aber sie sind bestenfalls als Fußnoten zu bezeichnen. Und die „Weiterentwicklungen“, speziell die nur europäischen, die hier stattfanden, führen eben teilweise so weit, dass Jazz dafür keine Bezeichnung mehr ist. Da ist meines Erachtens der Bruch zwischen etwa dem späten Trane und europäischem sogenanntem Free Jazz viel größer als der zwischen Jelly Roll Morton und Ayler.
Wie gesagt, hier treffen Auffassungen aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein können.
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God told me to do it.