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Habe mal letzten dezember eine Kritik zu dieser Scheibe verbrochen. Hier ist sie:
Bob Dylan: Love and Theft (Sony/Columbia)
Es geht hier nicht um die Wertung der historischen Verdienste des Meisters oder irgendwelche Erwartungen, die man ihm gegenüber hegt (auch wenn man diese Dinge nie ganz ausblenden kann…). Die Welt braucht eigentlich keine neuen Dylan-Platten mehr, es gibt schließlich schon genügend viele, von denen eine ganze Menge mehr als nur wichtig oder gut ist resp. war.
Man legt die CD ein und das erste Stück hört sich wie folgt an: aus einem Bo Diddley-Beat wurden mittels eines Presslufthammers die Synkopen rausgebrochen, eine zickige Orgel fiept und die Gitarren schrubben in bester „Gib ihm“-Manier los. Und dann kommt der Gesang… Stimmlich ist Dylan so gut wie seit den Mittsiebzigern nicht mehr gewesen. Kraftvoll und dynamisch reißt sie einen vom Hocker und ich bin plötzlich hellwach. Was geht da ab? Es folgt eine wundervolle Ballade namens Mississippi, die in ihrer ergreifenden Schönheit einem sehr zu Herzen gehen kann. Wir hangeln uns vorwärts und landen via Rockabilly und Bar-Swing beim Chicago-Blues eines Muddy Waters. Ich will gar nicht im Detail auf die restlichen Stücke eingehen und sage nur, dass es in diesem Dreh weitergeht. Wir erleben einen rasanten Parforce-Ritt durch die amerikanische Musikgeschichte der ersten 60 Jahre des letzten Jahrhunderts. Das ist vielleicht alte Musik, aber altmodisch ist sie sicherlich nicht.
Dargebracht wird das ganze mit Energie und Frische einerseits und mit Ruhe und Abgeklärtheit andererseits. Als Musiker hat Dylan endlich die Leute aus seiner Tourband ins Studio mitgenommen und die Jungs klingen als würden sie schon seit zehntausend Jahren zusammenspielen. Die Rhythmusachse steht wie eine eins und die Gitarren duellieren sich, dass es eine Pracht ist. Stimmlich ist Dylan voll auf der Höhe und produktionstechnisch auch. Unter dem Pseudonym Jack Frost hat er selbst Hand angelegt und einen rauen, direkten und ungeschliffenen Sound erzeugt.
Und was machen die Texte? Ein Freund von mir meinte, dass die Platte viel zu fröhlich sei. Stimmt überhaupt nicht und geht auch gar nicht. In dieser Welt gibt es eh viel zu wenig zu lachen und das Teil kam bezeichnenderweise am 11. September raus. Dylan ist einerseits böse, zynisch und gemein (war er früher auch schon oft!), aber er wirkt plötzlich auch offen (!), zugänglich (!!) und verständlich (!!!). Das ist an dieser Stelle vielleicht keine wirkliche Qualität, aber es ist bezeichnend.
Es gäbe noch eine Menge zu sagen, aber es soll jetzt mal genügen. Dylan muss man anhören und man muss ihm zuhören. Man muss eigentlich nichts verstehen, aber wenn man sich darauf einlässt, versteht man ALLES.
Nein, die Welt hat diese Platte nicht gebraucht. Aber die Welt ist durch sie einen Hauch schöner und ich vielleicht ein bisschen weiser und milder und was weiß ich geworden.
Wir haben Ende August und die Platte ist noch größer geworden! :sauf:
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Shot a man in Reno just to watch him die...