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MikkoWas meinst Du damit?
Ok, dann lehne ich mich mal aus dem Fenster. (Das Risiko, von gelernten
Kulturwisenschaftlern wie Hr. Rossi einen Klaps auf den Hinterkopf zu
bekommen ist mir bewusst. Aber vielleicht lerne ich dabei ja noch was.)
Mikko
Wie hat sich die Wahrnehmung von Dialekt in Preußen entwickelt?
Und inwiefern anders als weiter westlich oder südlich?
„Westlich“ – schönes Stichwort! Westlich von Preußen war Holland.
100 Jahre vor der Reichsgründung (ca.) waren z.B. Emden oder Kleve
schon preußisch.
Preußen vor der Reichsgründung: klick
Im Gegensatz zu den anderen deutschen Ländern war Preußen 1870 also
ein quasi „multi-ethnischer“ Staat, und das nicht erst seit gerade eben.
Und spätestens mit der Industrialisierung hatte eine großräumige
Durchmischung der innerhalb Preußens lebenden Volksgruppen begonnen.
Welche Folgen musste das in Preußen für die regionalen Dialekte und ihre
Wahrnehmung haben? Meine Hypothesen sind:
– Die Voraussetzungen für den Niedergang der Dialekte waren in Preußen
früher gegeben als anderswo in Deutschland.
– Insbesondere die Führungsschicht (auch die kulturelle) in Preußen hat
den Dialekt eher aufgegeben als die Elite in anderen deutschen Ländern.
– Dialekt zu sprechen begann früher als anderswo den Geruch von
Provinzialität wenn nicht gar mangelnder Bildung anzunehmen. Solange
es aber wenigstens einer der vielen in Preußen gesprochenen Dialekte
war, war es andererseits immer weniger ein Anzeichen für Fremdheit.
Umgekehrt ist festzustellen:
In den ethnisch homogerener „süddeutschen“ Ländern Sachsen, Bayern,
Württemberg und Baden konnte der Dialekt länger gepflegt werden und
sogar als Zeichen nationaler Identität dienen. Letzteres sogar noch über
die Reichsgründung hinaus, zur bewussten Abgrenzung gegen das
„übermächtige“ Preußen (das 1870 immerhin allein 60% der Bevölkerung
umfasste).
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