Re: Die ganz großen Independent Alben

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bender-rodriguez

Registriert seit: 07.09.2005

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Der Begriff „Independent“ wird heutzutage sehr oft fälschlich für einen gewissen Musikstil verwendet – obwohl die betreffenden Künstler streng genommen überhaupt nicht „Independent“ im „traditionellen“ musikalischen Sinne sind, bzw. überhaupt waren. Als „Independent“ bezeichnet man rein puristisch betrachtet auch nur diese Künstler/Bands, die sich einem unabhängigen Plattenlabel vertraglich/idealistisch verpflichtet haben. Und zwar unabhängig von der „Industrie“, also diesen Plattenfirmen, die stellvertretend und üblicherweise für die grossen Namen der Pophistorie/des Popgeschehens stehen. „Independent“-Künstler zeichnen sich NICHT dadurch aus, einen einheitlichen musikalischen Stil zu pflegen, sondern eher durch das Gegenteil, d.h. eine möglichst breite Palette abzudecken. Viele Zeitgenossen bezeichnen mit „Indie“ einen eng gesteckten Musikstil, bzw. stellen sich unter „Indie“ einen bestimmten Musikstil vor. Dies ist ein kompletter Irrglaube! Zu der Blütezeit der „Independent“-Kultur (Ende der Siebziger bis ca. Ende der Achtziger Jahre) war es für manche Künstler/Bands eine Ehrensache „Independent“ ihr Dasein zu fristen. Auch die ursprüngliche Undergroundsektion der NDW (und deren eigentlicher Ausgangspunkt), federführend vertreten durch deren Sprachrohr Alfred Hilsberg (Gründer und Betreiber des „ZickZack“-Labels), prägte den Slogan „Keine Mark der Industrie“. Eine äusserst kreative und musikalische Grenzen sprengende eigenständige „Gegen“-Kultur entwickelte sich neben der etablierten Plattenbranche – und wurde von dieser wiederum sehr aufmerksam beobachtet (nicht selten „griff“ sich die böseböse „Industrie“ eine aufstebende „Indie“-Band, um diese kommerziell „auszuschlachten“. Die Hardcore-Indie-Gemeinde sprach dann oft von „Verrätern“ – und liess ihre Lieblinge nicht selten fallen wie eine heisse Kartoffel…).
Selbstverständlich gab es auch Künstler, die zwar von jedem Indie-Fan auch geliebt wurden (aufgrund musikalischer Affinitäten), sich allerdings jedem „Indie“-Betrieb von vornherein verweigerten. Prominentes Beispiel: Siouxsie & The Banshees. Von Anfang an bei Polydor, spottete die spröde Siouxsie über diese Bands, die sich aus einer gewissen Einstellung heraus für ein „Indie“-Label entschieden hatten. Manchmal verlief ein solch künstlicher und mutwillig gezogener Graben auch nur im inneren Musikermilieu. Den Fans draussen war es zunächst einmal egal, ob Siouxsie nun „Industrie“ waren – und Joy Division „Indie“, Hauptsache die musikalische Grundrichtung stimmte. Die kleinkarierten Scharmützel mancher Fans kamen allerdings erst nach und nach auf.
Die „Indie“-Kultur leistete sich eigene „Indie-Charts“, die abgöttisch und aufmerksamst aufgenommen und studiert wurden. Ironischerweise tauchten in diesen Charts auch vermehrt die Veröffentlichungen immer grösser und berühmter werdenden Bands auf, wie z.B. Depeche Mode – denn Mute Records lief noch immer als „Indie“-Label…
So wie einige „Indie“-Labels immer grösser und bedeutender wurden, so stieg auch deren finanzielles Risiko. So war der z.B. der Bankrott des renommierten „Factory“-Labels – trotz erfolgreicher und bekannter Künstler, von denen „Factory“ nicht wenige Einheiten deren Veröffentlichungen absetzen konnte – aufgrund der ungleich höheren Unkosten nicht abzuwenden.
Soweit meine kleine, grob umrissene Abhandlung!
Weitere (interessante) Details zur „Indie“-Kultur können sicherlich bei Bedarf jederzeit irgendwo im Netz erforscht werden…

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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad