Re: U2 – Achtung Baby – 1991

#5790045  | PERMALINK

daniel_belsazar

Registriert seit: 19.04.2006

Beiträge: 1,253

Herr RossiDie Definition von Pathos ist eindeutig, den Begriff sollte bitte nicht jeder verwenden, wie er lustig ist: Pathos ein rhetorisches Stilmittel, das auf emotionale Wirkung zielt (bitte hier weiterlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Pathos).

Einspruch, Euer Ehren! Da hat sich das vielleicht mal hergeleitet bei den alten Griechen, wo ja der Ausdruck auch herkommt. Meines Erachtens bedeutet er aber schon da nicht nur Gefühl, wie der Wiki-Artikel nahelegt. Im Wortstamm Pathos ist auch die Verstärkung bis hin zur Übertreibung vorhanden bereits vorhanden (z.B. Richtung Pathologie).

Bereits bei den Römern bezeichnet Pathos dann das Herausheben von Gefühlen, die als Folge „erhaben“ sind, also nicht einfachen beliebigen Gefühlen, sondern wertvollen, „großen“ (wie beipsielsweise die Liebe zum Vaterland und ähnlich hehre Emotionen). Und schon da konnte es zuviel werden, wenn man nämlich die Betonung übertreibt, wird das Gefühl innerlich hohl. Das Pathos war als rhetorisches Mittel bereits damals ein sehr zweischneidiges Schwert, ein Grenzgang, der leicht ins Übertriebene, Falsche abkippen kann.

Und bei Schiller wird’s dann im neuzeitlichen Sinne „pathetisch“ im Sinne vom feierlichen Deklamieren hochhehrer Ziele wie vor allem der Freiheit. „Geben Sie Gedankenfeiheit, Sire!“ Das vor allem ist der Pathos, wie er heute verstanden – und im Maße der Entwertung aller Werte spätestens seit Nietzsche zunehmend nicht mehr goutiert – wird.

Herr RossiAuch Sam Cooke ist pathetisch, wenn er „A Change Is Gonna Come“ singt, oder Johnny Cash, wenn er „One“ interpretiert. Cash ist nur der subtilere Pathetiker, weil er sich auf ein anderes rhetorisches Stilmittel verlassen kann, die Autorität seiner eigenen Person. Aber auch sein Vortrag zielt immer auf emotionale Wirkung. Was Bono macht, ist also weder ungewöhnlich noch unredlich.

In diesem Sinne ist Cash eben gerade nicht pathetisch (eher stoisch, vielleicht bisweilen melancholisch, manchmal auch noch zornig) und auch Sam Cooke nur bedingt (der ist eher wie der meiste Soul erotisch, würde ich mal sagen). Bono ist dagegen sehr häufig noch nicht mal am Rand des Pathos, sondern steht sehr eindeutig gewollt mit mit beiden Beinen mittendrin.

Wobei das nichts darüber aussagt, ob man das mag oder nicht.

--

The only truth is music.