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Interessante Diskussion eigentlich. Und ja, irgendwie ist schon alles gesagt. Trotzdem.
„Achtung Baby“ ist eines der Alben, die ich nur aus allgemeinem Interesse für berühmte Platten der Popgeschichte besitze. U2 habe ich schon die ganzen 80er über als ziemlich peinlich empfunden. Und mit „Achtung Baby“ versuchten sie jetzt auch noch cool zu sein. Das geht natürlich gar nicht.
Es ist doch so: Bei der Musik, von der wir hier sprechen geht es nicht zuletzt darum: Cool sein, Attitüde. Diese Musik besteht zu ca. 80% aus Interpretation und zu 20% aus Komposition. It’s the singer, not the song.
Und weil diese Dinge so schwer greifbar sind, schafft es ja auch keiner, sich ernsthaft über das „Rumgemeine“ zu erheben (ein Unwort, in der Tat; der ganze RS besteht letztlich aus nichts anderem als „Rumgemeine“).
Gerade „One“ illustriert das sehr schön. Ein an sich guter Song, wie ich finde. Der Beste auf dem Album. Aber auch ein Song mit etwas heiklem Text. Schwere Metaphorik und Mehrdeutigkeiten, die Tiefgang vorgaukeln sollen. Man kennt das ja. Jedenfalls ein Text, der keinerlei weitere Zufuhr von Pathos durch den Interpreten verträgt. (Unter „Pathos“ verstehe ich hier nicht „Leid, Leidenschaft“, sondern die unangemessene, übertriebene Darstellung derselben.) Meine Einschätzung dürfte schon klar geworden sein: Bono übertreibt es bei jeder Silbe, so wie er das eigentlich immer tut.
Ganz anders dagegen dieser alte Country-Sänger: Furztrocken, wie in Stein gemeißelt steht seine Stimme im Raum. Und plötzlich klingen auch Jesus und die Lepra völlig zwingend und richtig. Gerade weil Cash die Emphase rausnimmt klingt er wesentlich eindringlicher.
Eben dies ist die Kunst des Vortrags: Ein guter Interpret könnte das berühmte Telefonbuch zum Besten geben und dabei die komplette menschliche Gefühlswelt ausdrücken. „Sam Cooke sings the Dieter Bohlen Songbook“ wäre sicher eine feine Platte.
Dabei ist es tatsächlich nur der Gesang, der den Unterschied macht. Sicher ist es guter Lackmus-Test für die Qualität eines Songs, wenn er auch mit minimaler Begleitung funktioniert (was wiederum nicht heißt, dass Produktions-Aufwang illegitim wäre). Abgesehen davon ist die Cash-Version so minimalistisch gar nicht, wie sie vorgibt zu sein (zwei Gitarren, Klavier, Synthesizer, Hall). Ein Schlingel, dieser Rubin.
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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)