Re: Neil Young "Hawks & Doves"

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nail75

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itasca64
Mich interessiert Eure Meinung zu den Young-Alben, die für viele eher in der zweiten Reihe stehen…

Gerne… ;-)

, weil sie musikalischen Erwartungen widersprachen oder umstrittene Inhalte zu transportieren schienen.

oder weil sie vielleicht einfach wirklich nicht gut sind.

Musikalisch ist das Album quasi zweigeteilt (für Young-Kenner nichts unbekanntes): die ersten vier Songs (also Seite 1 des Vinyls) waren zum Teil älteren Datums und akustisch-karg gehalten. Stilistisch vergleichbares findet sich am ehesten auf der „Comes A Time“-LP. Aus meiner Sicht handelt es sich dabei um eine der intensivsten und intimsten Akustik-Songfolgen, die Neil je veröffentlicht hat.

Ich finde das Album wesentlich weniger fröhlich als „Comes A Time“. Intensiv und intim, damit kann ich mich schon eher anfreunden, wobei Neil Young massenhaft bessere „Akustik-Songfolgen“ zu bieten hat.

Ich höre sie bis heute gerne, und kann keine „Alterungserscheinungen“ feststellen, auch wenn sich mir der apokalyptisch anmutende Text von „The Old Homestead“ (mit einer „singenden Säge“ im Mittelteil) nach wie vor nur zum Teil erschliesst. Diese 10-Minuten-Nummer und das einleitende „Little Wing“ (nicht mit der gleichnamigen Jimi-Hendrix-Komposition zu verwechseln) stammen übrigens aus den Jahren 1974 bzw. 1975 und waren offenbar für das ehedem geplante, aber nie veröffentlichte LP-Projekt „Homegrown“ vorgesehen. „Homestead“ hört man seine zeitliche Nähe zu Werken wie „Ambulance Blues“ durchaus an, wie ich finde.

Die Outtakes aus den 1970ern sind das schlechteste auf der ersten Seite. „Little Wing“ ist eher eine Songskizze, düster und mysteriös, aber zu flüchtig, um Eindruck zu hinterlassen. The Old Homestead ist ein offensichtlicher Versuch, Neil Youngs künstlerische Zusammenarbeit mit Crazy Horse und CSNY zu verarbeiten. Das gelingt nur teilweise, das geniale „Thrasher“ ist bei weitem besser. Hier holpert der Text doch beträchtlich und musikalisch ist The Old Homestead relativ eintönig.

Gar nicht erwähnt hast Du „Lost In Space“ und „Captain Kennedy“. „Lost In Space“ ist in seiner naiv-kindlichen Art fast anrührend, die Melodie ist sympathisch und das Lied wirkt fast wie ein Schlaflied mit einigermaßen wilden inhaltlichen Sprüngen vom Weltraum in die Tiefsee und vom Liebeslied zum…ja, was genau?

Captain Kennedy ist das einzige Lied auf dem Album, das wirklich lohnenswert ist. Er erzählt die Geschichte eines „young mariner“, der sich an seinen Vater Captain Kennedy erinnert, der wohl irgendwann in den 1970ern verstorben ist und seinen „wooden schooner“ im 2. Weltkrieg durch die Deutschen verloren hat. Soweit, so verständlich, aber der junge mariner beschreibt auch, wie er selbst auf einem Segelschiff (!) in den Krieg zieht: „And when I get to shore I hope that I can kill good.“ Nicht gerade eine Zeile, die besonders gut mit der nachdenklichen Stimmung des Songs harmoniert und am Ende von Neil Young fast nur noch gehaucht wird.

„Hawks & Doves“ war eine meiner ersten Young-LPs, und ich kann die bekannten Vorwürfe anhand der Texte höchstens eingeschränkt nachvollziehen. Selbst das Titelstück, auf das sie sich noch am ehesten anwenden lassen, erscheint mir beim näheren Hinsehen als eher doppelbödig und abgründig.

Wenn Neil Young jemals ein dooferes Lied als „Hawks And Doves“ geschrieben hat, dann ist es mir entgangen. Man kann natürlich sagen, dass es so atypisch bescheuert ist, dass er es unmöglich ernstgemeint haben kann – aber dafür gibt es weder textlich noch musikalisch ernsthafte Anzeichen. Nein, das ist klassischer Deppen-Nationalismus der Republikaner:

Got rock and roll, got country music playin‘
If you hate us, you just don’t know what you’re sayin‘.

Kaum zu glauben, dass derselbe Mann eines Tages „Living With War“ machen sollte.

Die übrigen 5 Stücke entstammten alle einer neueren Session und boten elektrifizierten Country mit traditionellem Instrumentarium, Neil selbst spielt Klavier. Wahrscheinlich hat dies viele, die erst ein Jahr zuvor durch „Live Rust“ zu Fans geworden waren, verschreckt und mit zu den Vorwürfen des Konservativismus beigetragen.

Ja, die fünf elektrischen Songs. Ich kann diesen großen Unterschied zwischen Seite A und B nicht erkennen. Zunächst dominieren hier Bekenntnisse zur Familie/Ehefrau („Stayin‘ Power“, „Coastline“) die ernsthaft, aber nicht sonderlich prägnant sind. „Union Man“ ist das bizarrste Nicht-Lied, das NY je geschrieben hat, ein musikalischer Dialog einer Gewerkschaftssitzung auf der beschlossen wird bumper stickers mit dem Slogan „Live Music Is Better“ herzustellen. Bitte fragt nicht nach.

Das beste Lied auf Seite 2 ist „Comin‘ Apart At Every Nail“. Natürlich ist auch es von einem etwas schmierigen Patriotismus durchzogen, aber die Sorge ist echt und drückt vermutlich die krisenhafte Stimmung im Amerika der frühen 80er recht genau aus.

Vielleicht kann man „Hawks & Doves“ als das erste der „experimentellen“ Young-Alben der 80er ansehen.

Auf keinen Fall. Das hier ist typische Neil Young Resteverwertung im Stil der 1970er. Die hauptsächliche Eigenschaft des Albums ist seine Seltsamkeit.

**1/2

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.