Re: The Traveling Wilburys

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nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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pinchNaja, auch Helden greifen mal daneben. Das Resultat fand ich hier aber dann dermaßen flach, schal, dünn, uninteressant und erschreckend banal, dass ich bereits nach einem einzigen Hördurchgang dringend das Weite suchen musste. Kein einziger Song, der nicht mit Kitsch und verschlafenem Späthippiespinnkram vollgestopft ist (was Mick67 sicherlich permanent jauchzen lässt), wie eine Zeitmaschine rein ins Land der lebenden Toten. Mit solch dürftigen musikalischen Ergüssen (Der „Everybody needs somebody to lean on“-Ringelschwanz lastete noch tagelang wie ein schwerer Albdruck auf meinem Gemüt) hätte sich vor 10 Jahren nichtmal eine Schülerkombo auf die Bühne gestellt, jetzt marschieren dafür eben illustre Gesellen aus den 60ern und 70ern ins Tonstudio und unmittlebar in die Sinnkrise (wie mittlerweile die greise und traurige Marionette Brian Wilson) und schaffen einen völlig verwässerten Kuschel- und Schunkelramsch, der nichtmal als Fußnote durchgehen kann (höchstens für Jeff Lynne, aber der war ja schon immer eine Pfeife). Seelenloser Brei.

Ich habe gerade über die Bedeutung der Wilburys für Dylan nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses Album mindestens dazu beigetragen hat, einfachere Songs zu schreiben und nicht in den Sümpfen des überproduzierten Morasts zu versinken wie auf „Empire“ oder „Knocked Out“. Für Dylan waren die Wilburys sicher eher ein Ausweg aus der Sinnkrise, für Orbison ein Grund des Stolzes und der späten Wiederentdeckung/Anerkennung, zu der das Album beitrug. Das spürt man auf der DVD ganz deutlich. Petty war damals ja keineswegs out, im Gegenteil seine größten Hits standen noch bevor, Harrison stand kurz vor einem beeindruckenden Comeback. Ich glaube, dass Du es Dir dahingehend etwas zu einfach machst.

Die Songs sind natürlich einfach, aber das war ja gerade das Ziel. Man wollte sich vom Stil der 80er distanzieren und bediente sich letztlich doch wieder 80er-Methoden. Darum klingt das Album teilweise überholt. Die klare melodische Form der Lieder wird aber durch die Produktion nicht zerstört. Wo Du „Schunkelramsch“ siehst, sehe ich einfache, melodische Popsongs.

(Deine Meinung zu Brian Wilson teile ich übrigens nicht, vgl. dazu auch meine Kritik zum Mainzer Konzert im entsprechenden Thread. Ein greiser, trauriger Mann sieht anders aus und singt vor allem anders. Kein Mann seines Alters könnte die höhen Töne der Jugendjahre noch treffen, selbst wenn er sich jahrlang Drogenmissbrauch betrieben und Depressionen durchlitten hätte. Siehe dazu auch meine Steely Dan Kritik, die ich bald posten werde).

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.