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Ich hatte ihn ein einziges Mal live erlebt, 2008.
Und war schwer beeindruckt. Die Konzertkritik von damals trifft’s ganz gut, was den Mann ausmachte. ich stell’s mal da her:
Weil er gut befreundet ist mit Rich Olivier, dem Sohn des großen Sir Laurence Olivier, wurde ihm die Patenschaft für dessen Sohn angetragen. Und so ergab es sich, dass Olivier junior den Sänger Jackie Leven eines Tages dem alten Vater, der nicht mehr lange zu leben hatte, vorstellte. Jackie Leven erzählt die Geschichte der Begegnungen mit Olivier vor seinem Song „Oliviers Blues“. Sie ist zugelich die Entstehungsgeschichte des Songs: Da saß er also, der Alte nannte ihn „Green Giant“ (wegen seines T Shirts und seiner Leibesfülle), er titulierte den Alten respektvoll „Sir“. Nachdem die amerikanische Schwiegertochter dem Alten Cognac verweigerte, sorgte Leven für da gewünschte, man trank und Olivier wollte wissen, was er denn so treibe. Musiker sei er. Ah, seit der Zusammenarbeit mit Marilyn Monroe habe er, Laurence Olivier eine gewisse Vorlieb für amerikanischen Blues, und ob der „Green Giant“ denn mal einen spielen könnte. Der improvisierte, und bat Olivier um Textvorschläge.
Wenn Jackie Leven auf der Bühne über den Abschied an diesem Tag sagt, „I never saw that man again“, dann ist das einer dieser Momente, in denen man meint, der Mann da oben auf der Bühne könne einem die Angst vorm Tod nehmen, oder aber alle Fragen des Lebens beantworten. Oder sich zumindest einen passenden Reim auf ein improvisiertes Blues-Schema machen. Jackie Leven ist ein Mann voller Geschichten. 1950 in Fife in Schottland geboren, hat er die dunklen Seiten des Lebens zur Genüge kennen gelernt: Als Sohn einer Roma-Familie mit knappem Budget wuchs er als „geborener Außenseiter“ auf, 1983 wurde er Opfer eines Überfalls, der ihm für lange Zeit die Fähigkeit zu singen und sogar zu sprechen nahm, danach erlebte er eine Zeit der Heroinabhängigkeit, aus der er sich selbst befreite.
Viele dieser Songs, die er an dem Abend im Jubez zusammen mit Michael Cosgrave an den Keyboards vorstellt sind Gratwanderungen zwischen Trauer und Freude, Verlorenheit und Optimismus. Vor allem handeln sie von Menschen, die in den Songs zusammen mit den ausschweifenden Ansagen (die allein abendfüllend wären) lebendig werden. Keine Tricks, kein doppelter Boden. Der Mann ist gnanz bei sich. Der rührt an, ohne auch nur einen Moment sentimental zu werden. Der singt von der Erinnerung an eine Liebe, die Freundschaft wurde. Und von dem plötzlichen Tod der Frau. Die Musik: Eine klare Gitarrenlinie, ein verhaltener Refrain. Der singt mit „Museum of Childhood“ ein Lied, das sich mit Leichtigkeit erhebt, Flügel bekommt und Ohrwurm wird, und damit aufs zauberlichste den Text kontrastiert. Da sitzt der Boxer
Roberto Duran in der sehr einsamen Ecke im Ring, im Kampf gegen Sugar Ray Leonard und will nach Hause „I’m a tired fighter
And I want to go home“ beschwört Leven eindringlich über aufsteigenden Klangkaskaden seines Begleiters. Wenn es denn für Leven die Kategorie „Hit“ gäbe „dieser Song aus dem Jahr 2005 hätte einer werden können, vielleicht 1973. Er hat die Gabe, das unglaubliche da zu lassen, wo es musikalisch gut aufgehoben ist: In der Bescheidenheit, der Bodenständigkeit. Aber er weiß genauso, wo Ausrufezeichen der Emphase zu setzen sind, dann aber mit Nachdruck, wie in „Elegy To Johnny Cash“, das von weitem an Eric Andersen erinnert. Und der kann richtig witzig sein, sogar ohne doppelten Boden. Indem er bei der Zugabe (die keine Zugabe ist) „I’ve Been Everywhere“ alle deutschen Tourorte runterbetet, abgelesen versteht sich, aber mit großem Lausbubencharme. Warum das keine Zugabe ist? Er hat es vorher erklärt: Zugaben sind Bullshit. Es ist einfach nur ein Song, den er „vergessen hat, zu spielen“.
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