Re: Meat Loaf, KölnArena, 14.06.07

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annamax

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Mir dünkt, der Kritiker der Stuttgarter Zeitung war auch nicht so begeistert.
Es hilft euch wahrscheinlich nix, wenn ich behaupte, ich hätte das Desaster vorausgesagt.
Meat Loaf wäre nicht das erste Beispiel eines alten Herren, der den Absprung mangels Stimme nicht reichtzeitig geschafft hat. Lou Gramm ist auch so ein Trauerkapitel.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1451666

Schleyerhalle

Meat Loafs Tonleiterkraxeleien

Stuttgart – Manche Hits schreien nach Fortsetzung. Bruce Willis turnt bald durch „Stirb langsam 4.0“, und Meat Loaf will mit „Bat out of Hell III“ an den Erfolg eines der meistverkauften Alben aller Zeiten anknüpfen. Insgesamt hat der übergewichtige Texaner mehr als fünfzig Millionen Platten abgesetzt, und er befindet sich seit dem vor dreißig Jahren entstandenen Erstling auf einem ewigen Comeback, begleitet von allen Höhen und Tiefen: geschäftlich, körperlich, stimmlich.

Beim Konzert vor gut 9000 Zuschauern in der Schleyerhalle wird schnell klar: von den einst vier Oktaven ist nicht viel übrig geblieben. Der vor bald sechzig Jahren als Marvin Lee Aday geborene „Fleischklops“ versucht sich die Tonleiter hochzuhangeln, wackelt, bricht immer wieder ein, obwohl er sich beim Singen meist bückt und aufstützt. Der Gipfel der Absurdität ist erreicht, als das Publikum den Refrain des Songs „You took the Words right out of my Mouth“ alleine anstimmen soll und Meat Loaf mit den Worten abbricht: „Ich dachte, wir wären in Stuttgart, wo man in der Lage ist zu singen.“ Möglicherweise kennt er nicht den Spruch vom Glashaus und den Steinen.

Es geht beim Konzert darum zu kaschieren, dass der starke Mann derzeit saft- und kraftlos ist, dass es unterm Bombast bröselt. Das gelingt über manche Strecken recht gut, weil in der Band vieles gedoppelt ist: zwei Sängerinnen, zwei Keyboarder, zwei Gitarristen, welche zweistimmige Melodien aufheulen lassen. Für „It“s all coming back to me now“ wird dann noch „special guest“ Marion Raven auf die Bühne gebeten, die das tut, was auch die zwei Background-Sängerinnen versuchen: retten, was zu retten ist. Bei „I would do anything for Love“ nützt aber auch die gesangliche Unterstützung wenig, an manchen Stellen erkennt man den Song kaum wieder, so sehr mogelt sich der eigentliche Sänger an den Tönen vorbei.

Unterm Strich kann man sagen: Meat Loaf hat sich bemüht, alles zu geben, hat noch mal das Tier losgelassen, umrahmt von Lichtspielen und Feuerwerk. Dabei dauerte jeder zweite Song eine halbe Ewigkeit – schließlich ist der langjährige Kompagnon und Komponist Jim Steinman Wagner-Fan. Bezeichnenderweise stammt aber der letzte und beste Titel des Abends von einer anderen Formation, die ebenfalls kein Ende findet: „Gimme Shelter“ tönt es von der Bühne, ehe nach zweidreiviertel Stunden das Licht angeht und die Götterdämmerung vorüber ist.

Matthias Ring, STZ vom 21.06.2007
21.06.2007 – aktualisiert: 21.06.2007, 09:34 Uhr

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I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.