Re: Das deutsche Fernsehen ist ein eiserner Feuertornado der Verzweiflung

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whole-lotta-pete

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chetBemerkst Du denn nicht eine wesentliche Veränderung gegenüber den 90er-Jahren? Ob es nun qualitativ wesentlich anders ist, ist eine andere Frage. Es ist, soweit ich sehe, nur eine einzige der unsäglichen Talkshows übrig geblieben: „Oliver Geissen“. Ansonsten gibt es Sendungen mit fiktivem Inhalt – Gerichtsshows, Therapiesitzungen, Kriminalfälle, etc. Langweilig und albern, mit Laiendarstellern besetzt, aber doch bei weitem nicht so ordinär wie die Talkshows der 90er, oder? Auf der anderen Seite gibt es Reality-Formate, in denen es um Auswandern, Existenzgründung, Erziehung, Schulden, Kochen usw. geht, die ich persönlich eher für eine positive Entwicklung halte. Ich möchte damit eigentlich nur sagen, dass ich keinerlei Negativentwicklung in den letzten Jahren ausmachen kann. Es stagniert oder hat sich mit den Reality-Formaten eher verbessert – übrigens eine Erfindung und Entwicklung der Privaten, die von den öffentlich-rechtlichen Sendern seit einiger Zeit kopiert wird.

Wo ich dir uneingeschränkt Recht gebe: Sender und Sendungen in der Machart von 9Live. Bedenklicher als Anruf-Spiele finde ich allerdings diesen Wahrsager- und Lebensberatungsmüll. „Du wirst in zwei Wochen sterben. Schönen Tag noch, Tschüssile.“ (Überspitzt, aber so ähnlich schon gehört).

Also, „keinerlei“ Verschlechterung ist grob übertrieben, auch wenn ich dir recht gebe, dass es nicht nur Schlechtes im Fernsehen gibt. Ein paar recht einfache Formate haben in den letzten Jahren gezeigt, dass es ganz unterhaltsame Ansätze gibt, z.B. das „Quiz-Taxi“ (auch wenn der Moderator immer nervte) oder „Das perfekte Dinner“, das für den Sender relativ einfach zu produzieren ist, aber tatsächlich selbst grausam schlechte Köche wie mich hin und wieder unterhalten kann. Übel halt nur, dass Ideen meist grenzenlos ausgeschlachtet werden, und zwar von einer ganzen Reihe von Sendern. Kochshows gehen mir mittlerweile gewaltig auf die Ketten, man kann es wirklich nicht mehr sehen. Dennoch – wahrscheinlich sorgt „Das perfekte Dinner“ mehr für ein leicht wachsendes Interesse an richtigem Kochen und dem Zelebrieren einer Mahlzeit in der Bevölkerung, als es eine Aufklärungskampagne der Bundesregierung zu diesem Thema je könnte.

Was aber die „Verschlechterung“ seit den 90ern angeht, so kann ich nur sagen – die Geschichten mit der immer weiter steigenden und Grenzen sprengenden Sex-Werbung plus Handy-Werbung (ein eigenes Phänomen für sich!), dem Abzocke-TV per Telefon, der fahrlässigen „Lebensberatung“ und dem insgesamten Anwachsen von schlechten Vorbildern ist schlimm genug. Und wenn die meisten Talkshows abgesetzt wurden, so ist eben der neue Renner Casting in allen Varianten, auch das „Camp-TV“ hat keineswegs ausgedient. Zwar gab es einige Pleite-Formate, aber der Dschungelkönig ist wohl noch nicht tot oder wird durch etwas schlimmeres ersetzt. Soaps sind ebenso rapide vermehrt worden, so dass nicht wenige randständige Menschen mit dem Hang zu starker Orientierung am TV immer noch glauben, eine 100qm-Wohnung ist für eine 20jährige völlig normal, solange sie dreimal die Woche 2 Kaffeetassen im Bistro um die Ecke herumträgt. Boulevard-Nachrichten sind weiter auf dem Vormarsch, und nicht zu vergessen – das Musikfernsehen war in den 90ern zwar auch nervig, aber wenigstens noch teilweise anschaubar.

Alles in allem – nein, schlechter geworden.

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