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Hi
In einem anderen Forum hab ich vor einiger Zeit schon mal deutlich gemacht, dass ich SOUL als untrennbar verbunden mit den politischen Bedingungen + Veränderungen der damaligen Zeit ansehe.
Als einer aus der Gruppe „alter Zausel“, nehme ich mir auch das Recht, unter Soul nur die alten Sachen aus der Zeit ab ca. 1956 bis in die frühen 70er zu verstehen. Dabei sind die Entwicklungen ab etwa 1968 schon sehr unterschiedlich und die Übergänge fleißend + konturlos.
Für mich sind dabei die Label von Stax (meine absoluten Favoriten), Motown + Atlantic –mit ihren jeweiligen Unter-Labeln – bestimmend für die Soul-Musik. Daneben gab’s natürlich eine Vielzahl weiterer, die eine sehr ursprüngliche Version des Souls produzierten.
Bei den Interpreten gehören Ray Charles (RIP), Aretha Franklin, Otis Redding und Wilson Picket zu meinen absoluten Favoriten.
Soul zu definieren war schon damals sehr schwer. Man sollte als erstes das (schwarze) Umfeld der Protagonisten des Soul beachten. Segregation war gang und gebe, obwohl Gerichte und Parlamente schon vorhandene + gegenläufige Bestimmungen durchzusetzen versuchten. Das Selbstbewusstsein und der Wunsch nach Selbstbestimmung der Schwarzen (ich weiß, das pol.corr. ‚Afroamerikaner’ ist – bleibe aber aus Zeitsicht bei S.) wuchs mit steigendem Bildungsniveau. Damit wuchs auch der Bedarf an einer Musik, die sich nicht im Nachspielen oder Interpretation weißer Musik ergötzte, sondern die eigenen schwarzen Musikwurzeln aufgriff: à priori Gospel und Blues. Aus diesem Gegensatz des Religiösen und des allzu Weltlichen entstand eine Spannung, die sich in der intensiven + sehr persönlichen Interpretation der neuen Songs manifestierte – eben die Seele, der Soul.
Es ist das Verdienst von Ray Charles + Sam Cooke, als eine der Ersten die verschieden Musikelemente zu mischen + zu etwas Neuem zu machen. Am Beispiel der Entwicklung von Aretha Franklin, die anfangs bei Columbia durch das Nachträllern weißer Schnulzen auf keinen grünen Zweig kam, ist deutlich, welche Explosion die neue Musik sein konnte. Auch als „Begleitung“ der Rassenunruhen der Endsechziger ist die Musik nicht weg zudenken; entlehnte sich aus ihr doch schließlich auch der Begriff „Soulbrother“. Viele Musiker, die sich noch eben im Motown-Pop bewegten, produzierten jetzt ‚politische Songs’.
In der Weiterentwicklung des Souls in verschieden Stilrichtungen (Funk, Philly Sound, Disco etc.) zeigt sich die ?erfolgreiche? „Emanzipation“ der schwarzen Bevölkerung. Die Akzeptanz + Unterstützung der ‚aufgeklärten‘ weißen Bevölkerung gab dem Soul zusätzlich auch den notwendigen kommerziellen Erfolg (in diesen Kreisen).
Diese Interpretation zum Thema SOUL ist meine persönliche Ansicht + mag nicht jedem schmecken. Deshalb immer mein Motto: jeder Mensch is anners verrückt.
SOUL ist wie Jazz, Pop, Klassik + andere Gattungsbegriffe nicht abzugrenzen. Zumindest darin scheint es ja bei einigen von uns, relative Übereinstimmung zu geben.
Ich find die Diskussion spannend … :bier:
Besten Gruß Timm
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------------------- SOUL IS A CONSTANT. IT’S CULTURAL. IT’S ALWAYS GOING TO BE THERE, IN DIFFERENT FLAVOURS AND DEGREES. Aretha Franklin