Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Aktuelle Platten › Okkervil River "The stage names" › Re: Okkervil River "The stage names"
Eine treffende Rezensionen gibt’s von Plattentests. Klick.
„Der Psychoanalytiker würde an seiner Brille zupfen und die Stirn kräuseln. Mit den Fingern durch seinen Backenbart fahren und im Pschyrembel blättern, dem Mammutwerk der Krankheitsdiagnosen. Und dann würde er mit knarrender Stimme die Diagnose murmeln: „Beschwingte Depression … das ist neu.“ Dies wäre zumindest ein mögliches Szenario, wenn man Will Sheff und seine Band Okkervil River auf die Couch legen und psychologisch analysieren würde. Denn lange haben sich tiefe Seelenschluchten und vergnügter Überschwang, hängende Köpfe und tanzende Freude nicht mehr so eng aneinander geschmiegt wie auf „The stage names“, ihrer neuesten Platte. Nicht runderneuert, aber gewandelt erscheinen sie.“
„Alle Heiterkeit der Platte ist allerdings eher die eines Dostojewski. Denn gerade textlich überwiegen immer noch die dunklen Schleier. Gleich zwei tragische Gestalten, die sich selbst in den Tod stürzten, der Lyriker John Berryman und die Schauspielerin Shannon Wilsey, bekommen in „John Allyn Smith sails“ und „Savannah smiles“ einfühlsame Songdenkmäler gesetzt. Vielmehr ist „The stage names“ das vielleicht ausgewogenste und doppelbödigste Album der Bandkarriere geworden, scheinbare Hochs entpuppen sich als verbitterter Wolf im Schafspelz, inmitten von Tiefs keimt noch Hoffnung. Clever brodelnde Rocker wie „Our life is not a movie or maybe“ und „Unless it’s kicks“ nehmen immer wieder überraschende Biegungen. „A hand to take hold of the scene“ streift munter wippend gar Randbereiche des Soul, lässt die Wurlitzer-Orgel schwurbeln, den Bass tanzen und überrascht mit Szenenapplaus und noch mehr Schubidu-Chören. Die leisen, traurigen Seiten sind jedoch nicht verstummt. „Savannah smiles“ ist eine traumschöne, stille Ballade, die ein Hauch von Spieluhr durchweht. Das fantastische „A girl in port“ bezirzt mit herrlich wehmütigen Melodiebögen, wimmernden Slidegitarren und herzerwärmenden Bläsersätzen am Ende. Überhaupt fallen auch diesmal wieder die opulenten, cleveren Arrangements positiv ins Gewicht.“
--