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Ui, da wird jemand ungeduldig!
Na gut ich lasse Euch nicht bis heute Mittag warten!
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Bob Dylans nun schon fast 50 Jahre dauernde Karriere als Musiker wurde vielleicht von nichts stärker bestimmt als dem unbedingten Streben nach Unabhängigkeit. Es findet seinen Ausdruck in seinen Ziel, nicht die Erwartungen des Publikums oder der Kritiker zu erfüllen und weder seine Musik noch seine Person vereinnahmen zu lassen. „Ich bin nicht Euer Bob Dylan“, rief er den besorgten altvorderen Folkmusikern zu, die ihn in Wort und Schrift beschworen, sich nicht von der Folkmusik der frühen 1960er mit ihrer explizit politischen Ausrichtung abzuwenden. Dies war der Mann der auf derselben Bühne stand wie Martin Luther King, als der seinen Traum eines besseren Amerikas ohne Rassendiskriminierung verkündete. An jenem Tag sang er gemeinsam mit seiner damaligen Geliebten Joan Baez „When the Ship Comes In“, eine auf das Alte Testament Bezug nehmende Prophezeiung, die Erlösung und Sieg versprach.
Zwei Jahre später schien dieser Auftritt Jahrzehnte zurückzuliegen. Der ehemalige Folksänger trug nun eine Lederjacke und spielte Rockmusik mit einer Band. Der Band. Den Thron der Folkmusik ließ er verwaist zurück, für Joan Baez war in seinem Leben kein Platz mehr. Seinen eigenen Weg geht er seitdem konsequent und ohne zurückzublicken weiter und seit vielen Jahren bedeutet das: Er geht mit einer Band auf Tour, nimmt ab und zu neue Alben auf und geht anschließend wieder auf Tour. Seine „Neverending Tour“ machte an diesem Montag Station in Mannheim, in der SAP-Arena, in der sich vornehmlich besserverdienende Bob Dylan Fans älterer Semester versammelten, um „dem Meister“ zu lauschen.
Während einer solchen Tour versammeln sich die Anhänger in den Printmedien und dem Internet und diskutiert. Spielt er Gitarre oder Keyboards? Taugt die Band oder nicht? Wie sind die Arrangements? Wie ist der Gesang? Die Bandbreite an Urteilen scheint unendlich zu sein, aber in einem sind sich die Fans einig: Dylans Gesang ist so gut, wie seit Jahren nicht mehr.
Bereits das zweite Lied, It Ain’t Me, Babe ist geeignet, dieses Urteil zu bestätigen. Ungewöhnlich klar erklingt seine dunkle, rauchige Stimme, die sich jedoch im Verlauf des Liedes in ungewohnte Höhen hinaufschwingt. So variabel und abwechslungsreich hat Dylan schon seit vielen Jahren nicht mehr gesungen. Vielleicht ist das Ausdruck einer wiedergefundenen Leichtigkeit, die sich zuerst auf seinem letzten Studioalbum Modern Times manifestierte, das einen ungewohnt entspannten Dylan zeigte. Watching The River Flow wirkt anfangs etwas lethargisch, im Verlauf des Liedes erwacht die Band jedoch zu Leben und überzeugt mit ihrem pulsierenden, elastischen Rhythmus.
Seinen wiedererstarkten, emphatischen Gesang zeigt auch die brillante Version von It’s Alright, Ma, das Dylan als hypnotische Gebetsformel, irgendwo zwischen Anklage und Beschwörung, zelebriert. In manchen Momenten klingt es, als entdecke er seine Klassiker zum zweiten Mal: So giftig wie an diesem Abend klangen die legendären Zeilen „While money doesn’t talk it swears / Obscenity, who really cares / Propaganda, all is phony“ schon lange nicht mehr. For Ramona hingegen ist verträumt und romantisch, gefühlsbetonter jedenfalls vergleichbare Versionen aus den letzten Jahren.
Mit dem zum Mitwippen animierenden Bluesrocker Rollin’ And Tumblin’ und dem ruhigen Spirit On The Water folgen die ersten Songs von seinem neuen Album. Dylan wechselt nun von der Gitarre an das Keyboard, was dem Klang etwas verfeinert und erweitert. Spirit und das entspannte, tröstende When The Deal Goes Down finden großen Anklang beim Publikum, das sie besonders ausdauernd bejubelt. Die Schnelligkeit, mit der sich diese großartigen Lieder als Publikumslieblinge etabliert haben, ist angesichts der Fülle von herausragendem Material, aus dem Dylan schöpfen kann, keine Selbstverständlichkeit.
Die Band vermag jedoch bei den langsameren Stücken nicht besonders zu überzeugen und sinkt häufig zum schmückenden Beiwerk herab. Ihre Stärke liegt eindeutig in den rockigen Lieder, die sie gut harmonierend vorwärts treiben und einen dichten Sound erzeugen, der Dylan als Basis für seinen prägnanten Gesang dient. Insbesondere die Gitarrensoli sind häufig erschreckend banal und lassen jede Kreativität und Inspiration vermissen. Dazu kommt das Problem der mangelnden Leidenschaft: Die Emotionen, die Dylan mit seinem in den Vordergrund gemischten Gesang transportiert, vermag die Band nur zu begleiten, aber nicht durch ihre Musik zu akzentuieren.
Stuck Inside Of Mobile With The Memphis Blues Again, Tweedle Dee & Tweedle Dum sowie My Back Pages folgen in ordentlichen, aber nicht besonders inspirierten Versionen. Das hochwillkommene Tangled Up In Blue steigert sich hingegen von der Keyboard-dominierten Ballade zum ausladenden Rocksong und stellt einen der weiteren Höhepunkte dar. Das folgende Nettie Moore ist ein gleichermaßen episches Werk, entfaltet jedoch kein cinematisches Panaroma, sondern trägt den Charakter eines Klageliedes, in dem der Protagonist die verflossene Liebe betrauert. Musikalisch ist es einigermaßen komplex, da Rhythmus und Takt zwischen Refrain und Strophe wechseln. Das hält allerdings einige rhythmisch minderbegabte Zuschauer nicht davon ab, mitzuklatschen und so bei zahlreichen Anwesenden eine Mischung aus Ärger, Irritation und Belustigung zu erzeugen.
Auf höchstem Niveau bewegt sich Dylans Interpretation von Highway 61 Revisited, das so wütend und intensiv klingt als hätte er es gestern geschrieben. Begleitet von dem orgelähnlichen Keyboardsounds zischt und knurrt er seine Worte in die Halle hinaus. Blowin’ in the Wind erhält eine vergleichbare Blutauffrischung: aus dem eher kontemplativen Folksong wird ein lauter Rocksong, der neu und aufregend klingt, was man bei einem so überaus vertrauten Lied nicht erwarten konnte. An diesem Abend wird jedoch das Unmögliche möglich.
Die pflichtgemäße Zugabe besteht aus einem weiteren jungen Klassiker, nämlich Thunder On The Mountain, welches das Verdienst hat, Alicia Keys in Bob Dylans Universum zu einzuführen, wo sie sich an die Seite von Einstein, Robin Hood und anderen illustren Persönlichkeiten gesellt. Teile des Publikums sind inzwischen vor die Bühne geeilt, um der bedrängten Enge der Sitzreihen zu entgehen und dem Meister nahe zu sein. Zum Abschluss dieses herausragenden Konzertes spielt Dylan Like A Rolling Stone. Die Orgel heult, Dylan spuckt die Worte wie Geschosse aus und treibt das Publikum fast zur Ekstase. Ein Hauch von Manchester Free Trade Hall, 17. Mai 1966 weht durch die SAP-Arena. Wer hätte das für möglich gehalten?
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.