Re: Where is Neofolk..??!

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bender-rodriguez

Registriert seit: 07.09.2005

Beiträge: 4,310

Ich habe unlängst gerade in diesem Forum (ironischerweise) davor gewarnt, Douglas P./DIJ vorschnell als musikalisches Aushängeschild der extremen Rechten abzustempeln. Und ja, ich sehe auch lieber ein zweites Mal hin – dann aber genau! Und es ist nicht von der Hand zu weisen, daß ein Teil des Neofolk-/Industrialklientels mit der Ästhetik und Ideologie des Faschismus, bzw. totalitärer politischen Systeme kokettiert, gar unverhohlen liebäugelt. Ich weiß, ich weiß, nicht jeder, der eine Rune an der Jacke trägt, ist ein Nazi (jaja, das übliche „Ästhetik-“ und „Fetisch“-Getue und -Geschwätz. Geschenkt – und längst angekommen!). Jedoch sollte man sich dumme und geschmacklose „Provokation“ lieber sparen. Und für manche Neofolk-Formation und den einen oder anderen Fan des Genres möchte ich nicht meine Hand ins Feuer legen. Nicht das Nicht-Stellungbeziehenwollen von Douglas P. – auf dem ständig herumgeritten wird – ist das Problem, sondern das offenkundige Verhalten und Statements von Bands und Künstlern der „zweiten Garde“ wie Blood Axis, Allerseelen oder Von Thronstahl ist das große Ärgernis. Die Fans dieses Genres tolerieren eindeutig zuviel, bzw. sind ab und zu mal gerne auf dem rechten Auge blind…
Und was war von einem Magazin wie „Sigill“ zu halten, das ganz elitär mit dem Anspruch hausieren ging, das Sprachrohr der „konservativen Kulturavantgarde Europas“ zu sein? Bei solchen Sprüchen wurde es mir ganz blümerant…

Rein musikalisch gesehen ist Neofolk sowieso schon seit langer Zeit vollkommen vor die Hunde geraten. Was als interessante popkulturelle Alternative mit DIJ, Sol Invictus und dem „apocalyptic folk“ von C93 begann, bewegt sich doch mittlerweile weitgehend in den immergleichen ausgetretenen Pfaden. Verschwommene Romantik und Sehnsüchte, ein merkwürdiger Eskapismus und schale Nostalgiewallungen als durchgehender roter Faden dieser Szene – zu einem ideenlosen Soundbild, das irgendwo zwischen Zeltlager, Mittelalterbardentum und sog. „Military-Pop“ sich festgefressen hat. Ob Of The Wand And The Moon, Hekate, Forseti, Orplid, und wie sie alle heissen mögen, diese Vertreter der mittlerweile zweiten Neofolk-Generation – allesamt sind sie langweilig. Und keine von diesen Bands kann sich noch auf Industrialwurzeln berufen. Nicht selten kommen die Musiker doch aus einer ganz anderen Ecke: Mal was anderes als Doom- oder Death-Metal machen, Haare abrasieren und die akustische Klampfe malträtieren. Schwarz angezogen kann ich ja trotzdem bleiben – ja sogar noch die schicke „Schwarze Sonne“ mir auf die Jacke nähen – ist doch so ästhetisch schön das Ding…

Letztendlich ist es natürlich so, daß (auf den ersten Blick) obskurerweise Neofolk und Industrial auf spazialisierten Mottoparties der „schwarzen Szene“ Hand in Hand gehen. Allerdings wurde gerade aus dem reinen „Industriallager“ immer wieder explizit auf den (nicht ganz so feinen) Unterschied hingewiesen. Und David Tibet hat in einem Interview vor Jahren kund getan, daß er niemals „Industrial“ gemacht hätte. Vom Sound her gesehen sicherlich kaum zu glauben, wenn man die alten C93-Alben kennt, jedoch wenn man sich die Atmosphäre des C93-Universums näher anschaut, so ist das schlüssig nachvollziehbar.

Danke für den Buchtipp, ich kenne „Looking…“ jedoch schon. Aber ich empfehle eine weitere Lektüre zu diesem Thema: „Ästhetische Mobilmachung“ heisst das Werk – und geht mit der Materie etwas kritischer um…

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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad