Re: Violine im Jazz

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redbeansandrice

Registriert seit: 14.08.2009

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vulturewayDerzeit aktuell und in der New Yorker Jazzszene sehr
aktiv ist die Geigerin Jenny Scheinman. http://www.jennyscheinman.com/

ich mag Scheinman ganz gerne… wie sehr das jetzt noch Jazz ist weiß ich nicht, das neue Norah-Jones-hafte Album fand ich nicht toll (sie spielt auch auf Jones Alben mit und tritt regelmäßig im Duett mit ihr auf oder so… spielte auch mit Lou Reed, Lucinda Williams aber halt auch Bill Frisell, John Zorn…), das zeitgleiche Instrumentalalbum war etwas besser, aber 12 Songs und vor allem Shalagaster fand ich sehr schöne Alben, mit Klezmer-inspirierter Instrumentalmusik, kann ich stundenlang hören, ist aber ein bißchen kitschig…

npr show (Quartet mit Jason Moran, Greg Cohen, und Schlagzeuger, ein bißchen harmlos aber läuft locker flockig durch…)

Ponty fand ich jetzt meistens nicht soo toll, aber seine Trios mit Eddy Louiss und Daniel Humair fand ich sehr große klasse… so, zum Abschluss ein ausgiebiges Zitat aus meinen geheimen Tagebüchern… Feldman seh ich ähnlich wie gtw… mit dem muss man umzugehen wissen, damit der keine Klischees spielt, Dave Douglas kann das, die meisten seiner Vorgesetzten sind damit überfordert… über Leroy Jenkins müssen wir nochmal ausführlicher sprechen…



Sylvie Courvoisier/Mark Feldman – Malphas. Book of Angels vol 3 (2006, Tzadik)

eines dieser alben, auf denen john zorn andere leute seine musik spielen lässt… so begeistert wie ich es gerne wäre bin ich nicht; und irgendwie hab ich dann auch wieder nichts zu meckern… geige/klavier ist natürlich außerhalb des jazz eine absolut klassische besetzung, und über weite strecken ist man hier auch irgendwie an so etwas peppigere, klassische violinsonaten erinnert, poulenc oder so, dazu kommt – wenig überaschend – noch ein deutlicher klezmereinschlag, so in den stimmmungen der melodien, wahrscheinlich auch harmonisch; von jazz ist im grunde nicht viel zu spüren, außer improvisation; was irgendwie toll ist, ist der sound der musik, sehr warm, und ganz sonderbar, die musik fühlt sich irgendwie viel melodischer an, als sie es bei näherem hinhören ist… also, es ist ein gutes stück zugänglicher, als etwa dave douglas charms of the night sky band, auch wenn es im grunde von den mitteln her nicht weniger frei ist; nur, wie gesagt, die absolute begeisterung stellt sich nicht ein, das ist eine cd, die man – obwohl sie durchaus interessant ist – auch prima mal im hintergrund hören kann, und das ist irgendwie natürlich gut so ein bißchen mut zur hässlichkeit, der ist gelegentlich da aber insgesamt er fehlt mir hier irgendwie… und dann gibt es hier wieder diese nervige sorte zitate (eine kleine nachtmusik!), die einen irgendwie denken lässt, dass zumindest feldman seinen guten geschmack nicht so sehr beisammen hat, wie man es sich wünschen würde… vielleicht ist es das, ich glaub courvoisier ist irgendwie die mutigere, geschmackssicherere von den beiden, aber was sie nicht schafft ist feldman ausreichend weit aus der reserve zu locken (wie das dave douglas vielleicht eher geschafft hat), das letzte stück zum beispiel, da wechselt feldman ziemlich gewollt zwischen so gequietsche und und so süßlicher pseudo-klassischem spielen, ziemlich doof (erinnert so ein kleines bißchen an das was die metal fans so toll finden „melodische“ teile, die sich mit „harten“ teilen abwechseln), während courvoisier durchaus tolle momente hat…

Leroy Jenkins‘ Driftwood – The Art of Improvisation (2006, Mutable)

geige, fernöstliches laute, stark präpariertes klavier und percussion… kann ich jetzt schwer mit anderen sachen vergleichen… ist jedenfalls für diesen moment tolle musik, die klänge der verschiedenen saiteninstrumente (klavier ist hier sehr als ein solches zu spüren) gehen irgendwie ganz toll dicht ineinander über, sehr flächige musik, also so verschiedene schichten, die sich übereinanderschieben, abwechseln, und so; manche schichten sind sehr rhythmisch, andere weniger… teilweise bauen sich auch tolle streichergrooves auf, die dann aber auch sehr abrupt wieder aufgelöst werden, schon toll irgendwie… weiß nicht, das ist so freie musik, die irgendwie alles im kopf wieder gerade rückt (viele verschiedene stellen anspricht, da merkt man dass sie noch funktionieren, ein klopfen hier, ein klingeln dort), tolle musik um sich zu entspannen also quasi, jenkins als der mann der sich das hier wesentlich ausgedacht hat ist definitiv toll… jetzt nur vom geige spielen her… weiß auch nicht, der ton ist irgendwie oft ein bißchen fiepsig und dünn… anders als bei vielen ähnlichen projekten, wird hier find ich sehr wenig mit harmonischen kontrasten gearbeitet, sondern sehr viel mehr mit rhythmen, polyphonien und sounds (einschließlich geräuschen); froh dass ich das gehört hab!

Carla Kilhstedt and Satoko Fujii – Minamo (2007, Henceforth Records)

von den geigen cds der letzten wochen vielleicht die überzeugendste; kilhstedt kommt deutlich weniger aus so einer fideltradition wie feldman oder scheinman, viel mehr aus der neuen musik, und das hilft ihr sehr klischeefreier zu spielen… fujii würd ich jetzt mal mal waldron schule nennen, ein bißchen freier, teilweise auch präpariertes klavier, sehr flächige musik, nicht so sehr melodien mit begleitung sondern klanglandschaften die von beiden gleichermaßen aufgebaut werden, geige kann man ja auch durchaus orchestral spielen wenn man technik wie kilhstedt hat… mut zur hässlichkeit, oft bemängelt bei vergleichbaren alben ist auch absolut da, sehr düstere musik, wunderbar aus einem guss, teilweise sehr fragil aber trotzdem mit großer autorität und stellenweise auch mit großer power, schon irgendwie free jazz, also freie musik und zumindest von fujii her durchaus jazzig, aber irgendwie ist die freiheit mehr aus der neuen musik, wie gesagt, draufgesetzt auf so einen mal waldron einfluss (den fujii glaub ich auch sonst nicht unbedingt so stark hat) – sehr sehr gut!

Ned Rothenberg – Inner Diaspora (2007, Tzadik)

also, da beim computerabsturz verloren jetzt nur nochmal kurz: unkonventionelle besetzung mit nervensäge mark feldman an der geige (schon nach wenigen tönen erkannt, kein kompliment), friedlander am cello, jerome harris an gitarren und bass, und statt schlagzeug einem inder der tabla spielt… zwei der stücke sind so quasi kammermusik, die irgendwie nicht so recht mit der tabla zusammengehen will, wirkt irgendwie sehr unruhig dadurch, auf einem dritten wechselt rothenberg mit seiner bassklarinette in den bass, mag ich nicht den effekt, wird sehr instabil dadurch, zusammen auch noch mit der tabla… die streicher sind teilweise ganz nett arrangiert, aber Feldmans Soli sind wie gesagt so durchwachsen wie immer… dann gibt es zwei so groovigere stücke wo der klezmereinfluss stärker wird, das vierte und das fünfte, da macht die tabla mehr sinn und auch das cello, das eine der Stücke hat auch das beste solo von feldman, klingen mehr nach louis sclavis, gefallen mir ziemlich gut… das erste stück gewinnt jetzt aber beim zweiten hören mehr, vielleicht muss man irgendwie akzeptieren, dass bass und tabla mehr eine eigene stimme sind im kammermusik sinn als die übliche begleitung.. dann wird es ganz gut, sehr rhythmusorientiert sind diese kammermusik stücke… dann gibt es nochmal was anderes, so eine art filmmusik blues mit rothenberg an einer japanischen flöte und harris an der egitarre, dazu mikrotonalen streichern und einzelnen tönen von der tabla fällt etwas aus dem rahmen, ist aber für sich ein prima stück… im verbleibenden zweiten stück, spielt harris so eine fast django reinhardt mäßige gitarre, netter effekt gegen die beiden streicher, auch wenn mich diese tabla/bassklarinettenbegleitung dazu überhaupt nicht überzeugt… rothenberg ist ein toller klarinettist mit einem richtig schönen holzigen ton, das projekt traut sich was (hab ich auf einigen der anderen tzadik alben vermisst) und lotet die möglichkeiten der besetzung ziemlich gut aus… ist dadurch etwas inkohärent… und nicht alle versuche sind gleichermaßen gelungen

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