Re: Bright Eyes 2007

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davidv

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Da es noch keinen Beitrag zum Köln-Konzert gab, ich aber mit Ulrich Maurer ziemlich einer Meinung bin, auch wenn ich ihn bei Joanna Newsoms Konzert, welches ebenfalls im Gloria war, wegen seiner blöden Knipserei bald umgebracht hätte(Das klacken einer Spiegelreflexkamera im 2 Sekunden takt bei einem Konzert in Zimmerlautstärke und das über eine gefühlte Ewigkeit kann einen aus der sich geöffneten Parallelwelt brutal aufwecken), poste ich ihn einfach hier nochmal. Trotzdem muss ich sagen, das der vielleicht blöde? Vergleich zu Springsteen einfach nicht zu leugnen ist, wenn ihn denn schon jemand live mit der Seeger-Session Band gesehen hat?Egal. Mir gefällt es unglaublich gut und hoffentlich geht es so weiter!

KÖLN,Gloria

Dann war es so weit. Vergleichsweise unspektakulär, aber artig beklatscht betraten Bright Eyes die Bühne – und stießen die Fans zunächst mal mit neuem Material vor den Kopf. Denn neues Material muss man sich ja erst mal anhören und kann nicht gleich mitsingen und Party machen. Aber alles was recht ist: Das war schon eine richtige Entscheidung, denn die Songs des „Cassadaga“-Albums sind einfach stärker als alles, was Oberst bislang gemacht hat. Das wird nach ein paar Durchläufen auch jenen klar werden, die hier zunächst mal abwartend die Arme verschränkten, bis sie dann „First Day Of My Life“ oder ähnliches mitsingen konnten (worauf man relativ lange warten musste). Oberst selbst war demonstrativ nüchtern geblieben, hatte den ganzen Tag nur Wasser getrunken, spuckte in die Hände und das Mikro trieb sein „Bright Eyes Orchestra“ mit Elan und hochgereckter Flamenco-Gitarre von einem Höhepunkt zum anderen – wenn er nicht gerade eine seiner vielen Stimmpausen einhielt, während derer Kumpel Jake Bellows sich mit dem Publikum unterhielt. Dass er aussähe wie Fußballer Torsten Frings rief ihm jemand zu, woraufhin er richtig stolz war, als er erfuhr, wer das ist…

Für Songs wie „I Must Belong Somewhere“, „Four Winds“ oder „Middleman“ vom neuen Album – würde mancher weniger geübte Songwriter Verbrechen begehen. Heutzutage schüttelt Oberst so etwas reihenweise aus dem Ärmel und rechtfertigt somit durchaus die ihm bereits virtuell verliehene Krone des neuen Songwriter-Königs. Den Versuch, das Orchester oder Mike Mogis‘ Produktionskünste von „Cassadaga“ irgendwie live zu reproduzieren, wurde zum Glück gar nicht erst unternommen. Dafür konnte sich Oberst voll und ganz auf seine ausgezeichnete Band verlassen, die mit dem Multiinstrumentalisten und praktizierenden Straßenmusikanten Anton Patzner auch gleich eine neue Geheimwaffe enthielt. Besonders Patzners Violinsoli bereicherten das Klangbild hierbei ungemein. „Middleman“, das wie eine klassische Waterboys-Nummer rüberkam und das zum Schluss solo mit Conor bei den Zugaben gegebene „Cleanse Song“ gehörten zweifelsohne zu den Höhepunkten der Show. Ein weiterer neue Track, „Soul Singer In A Session Band“, gehörte ebenfalls dazu. Man hatte als Zuhörer hier förmlich den Eindruck, einer Big Band zu lauschen – obwohl ja nun definitiv keine da war. Oberst spielte übrigens nicht nur neue Stücke von der CD, sondern auch von der „Four Winds“-EP (deren Titeltrack als einziges neues Stück natürlich schon mitgesungen wurde). Hier wie da galt: Mit den Studio-Versionen hatten auch diese Tracks, wie z.B. der „Cartoon Blues“ nicht viel zu tun – das war ergiebiges Futter für Freunde echter, handgemachter Live-Kost und zeigt, wie wandlungsfähig eigentlich Oberst ist. Inhaltlich abgerundet wurde das Set durch die John Prine-Coverversion „Crazy Like A Loon“, dem Oberst ein eigenes Stück in der gleichen, halbtrunkenen, aber originären Country-Schunkel-Mentalität hintanstellte und eine in weiten Teilen ungeprobte Version von Jimmie Rogders‘ „California Blues“, bei der David Dondero die Lead Vocals übernahm.
Oberst erschien dazu regelrecht heiter und gelöst, redete mit dem Publikum, bedankte sich für die Aufmerksamkeit der Kölner und hatte so gar nichts von den gefürchteten Allüren eines B-Superstars an sich. Allerdings gab’s auch Abzüge bei der Posterboy-Benotung, denn das wirre und ungewaschene Haupthaar wirkte nun wahrlich nicht sonderlich erregend. Ob einem ein solcher, sortierter, pflegeleichter und nahezu perfekt agierender Oberst nun besser gefällt als ein erratisch pöbelnder, sei nun jedem selber überlassen – rein musikalisch gab es an diesem Abend jedenfalls kaum etwas auszusetzen, auch wenn den treuen Fans die lieb gewonnenen älteren Tracks vielleicht dann doch zu kurz gekommen sein dürften. Aber die kommen ja eigentlich immer zu kurz… Vielleicht ist Conor Oberst ja wirklich so eine Art neuer Mittelsmann geworden…

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