Re: Welchen qualitativen Anspruch habt Ihr an ein Musikmagazin (z.B. den Rolling Stone)?

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ah-um

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Sonic Juice macht Leserbefragung? Bittesehr:

Sonic Juice
Ist der Rolling Stone Euch selbst ein Kulturgut, das das Sammeln und Archivieren lohnen würde, oder nur Informationsträger, den man nach Monatsablauf ins Altpapier gibt?

Natürlich ist der RS ein Kulturgut. Trotzdem kommt er bei mir – so wie jede Zeitung oder Zeitschrift – recht bald nach dem Lesen ins Altpapier.

Wie sieht für Euch eine ideale Ausgabe des Rolling Stone bzw. überhaupt eines Musik(kultur)magazins aus?

Viel über Musik. D.h. einerseits Reviews, und zwar sowohl aktuelle als auch erneute Betrachtung der Klassiker. Und andererseits Auseinandersetzung mit dem großen Ganzen, der (Pop-)Kultur im Allgemeinen und ihrer Strömungen und Erscheinungfsormen. Berichte über die lives and loves der Protagonisten nur, soweit dies zum Verständnis wirklich unabdingbar ist.

Was habt Ihr für Qualitätskriterien, inhaltlich und stilistisch? Wollt Ihr hauptsächlich Artikel über Eure (potentiellen) Lieblingsbands mit gelungenen Konsumempfehlungen lesen oder geht es Euch um eine kulturelle Gesamtschau des Phänomens Popkultur, in dem Artikel über Kraftwerk, Tote Hosen, Stones, Sido, Falco, Stockhausen, Entenhausen, Pasolini und die Documenta erstmal gleich interessant sind, wenn sie eben gut geschrieben sind? Lieber ein brillanter Artikel über Tokyo Hotel als ein passabler über David Bowie (hier bitte Lieblingsmusiker einsetzen)?

Die Fragestellung intendiert ein klares „Ja“ und damit kann ich gerne dienen. Fan-tum ist doof.

Soll Pop-Journalismus innovativ und überraschend sein oder doch eher servil leserfreundlich („Fan-Vollbedienung“) oder einfach nur: informiert und informativ (schwer genug!)? Sollte das Magazin eine „attitude“ mit Kanten und Ecken demonstrieren (den finden wir toll, den finden wir schlimm und reden auch nicht mit ihm!), Politik machen und die Gesellschaft prägen (wollen) oder will der „Mainstream“ gewahrt bleiben, mit der Folge, dass manches auch ohne Probleme im WOM-Magazin, der Bahn-Zeitung oder TV-Spielfilm erscheinen könnte?

Auch hier legt mir die Fragestellung die Antwort in den Mund. Wobei ich gerne etwas differenzieren würde: Meinung ja, aber bitte nicht im ganzen Heft die gleiche! Eine auf eine einheitliche „attitude“ getrimmte Redaktion wäre mir unangenehm. Und erst recht keine Unvereinbarkeitsdogmen. Überhaupt: Ist „attitude“ nicht eher dummes Zeug für Heranwachsende?
Also: Starke und auch polarisierende Meinungen gerne. Aber ich wünsche mir eine Vielfalt davon. Zum Beispiel könnte man ein offenbar kontroverses Thema wie „Led Zeppelin“ dadurch angehen, indem man mehrere Essays anbietet, die unterschiedliche Bewertungen vornehmen. Oder gar verschiedene, einander widersprechende Reviews. Mir liegt wenig an einer Zeitschrift, die immer wie mit einer Stimme spricht. Sowas würde schnell langweilig.

Nehmt ihr eine Bürgerkriegs-Reportage im Rolling Stone genauso ernst wie eine solche z.B. im Spiegel oder in der ZEIT?

Nein. Möglich, dass ich dabei einem Vorurteil auf den Leim gehe. Aber ich denke schon, dass Spiegel und ZEIT Politik besser „können“ als der RS.

Und gerade wenn man die Musik selbst lebensernst nimmt, kann es dann heißen: It’s only rock`n`roll journalism – oder geht es auch hier ums Ganze?

Es geht immer ums Ganze, um das Leben. Und das Leben sollte man keinesfalls zu ernst nehmen.:-)

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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)