Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Welchen qualitativen Anspruch habt Ihr an ein Musikmagazin (z.B. den Rolling Stone)? › Re: Welchen qualitativen Anspruch habt Ihr an ein Musikmagazin (z.B. den Rolling Stone)?
Ui das sind aber viele Fragen auf einmal und die Antworten sind mir oft zu Stone bezogen.
Ich sehe – wie es ja wohl auch angedacht ist – den RS nicht mehr als reines Musikmagazin (ob er es je war sei dahingestellt, die Prioritäten indes haben sich schon etwas verschoben) und als solches ist er nur noch semiinteressant für mich. ICh möchte tatsächlich kein Musikmagazin, dass sich über 10 Seiten, der Weltpolitik widmet, ich möchte noch nicht mal eins, dass ein zwanzigseitiges Special über alte Meister bringt, wenn mich sowas interessiert kauf ich mir die Lektüre zur Band oder irgendwelche gesonderten Specials. Das soll nicht heißen, dass ich Specials an sich überflüssig finde, nur reicht mir zugegebenermaßen eine etwas gestrafftere Variante, mit einigen guten Hinweisen zum Einstieg, bei der Herangehensweise an einen mir noch nicht bekannten Künstler. Das dabei die Recherche dennoch fundiert sein sollte, und meines Erachtens auch sein kann, und der Bericht sich auf einem gehobenen sprachlichen Niveau befinden sollte, ist natürlich unwidersprochen und auch recht zwingend. Das Problem ist, wie auch von SJ schon mal angesprochen, sich dabei nicht in irgendwelchen intelektuellen Floskeln zu verlieren, quasi ständig mehr Wert darauf zu legen seinen Bildungsstand zu demonstrieren und weniger auf das Thema, und dabei Gefahr zu laufen staubtrocken zu werden und zu langweilen, im schlimmsten Fall zu verärgern. In dem Moment ist mir dann tatsächlich eine klare Sprache lieber. Ich bin mir auch gar nicht sicher ob ich ein erwachsenes Musikmagazin will, ob das überhaupt möglich ist, ob das Kind in mir Musik nicht immer auf dieser Ebene des Neuentdeckens und Überraschelassens halten möchte. Somit wüsste ich auch kein „erwachsenes“ Musikmagazin zu benennen, da der RS bei mir eigentlich nicht mehr im Rahmen Musikmagazin funktioniert, zumindest nicht in seiner Gesamtheit.
Bisher hab ich alle Ausgaben (bis zu meinem Austieg Mitte letzten Jahres) gesammelt und auch behalten, wie auch die des ME, musste allerdings feststellen, dass mich zuletzt beim Durchblättern alter Ausgaben des ME (so Mitte 80er), diese mehr fasziniert haben, als alte RS-Ausgaben (Anfang 90er), was allerdings auch an dem zeitlichen Rahmen liegen mag, da die frühen – mittleren 80er einfach auch der Anfang meiner musikalischen Sozialisation waren und es somit sehr spannend für mich war, da nochmal rückblickend reinzuschnuppern, Alle andren gekauften Musikmagazine waren für mich tatsächlich Ex und Hopp-Unterhaltungslektüre.
Was brauch ich also in Musikmagazinen? Ein bis zwei längere Interviews, sofern sie denn gut geführt sind, halte ich für unerlässlich, die kürzeren Artikel über Newcomer sind mittlerweile in den Zeiten des Internets und des Musikimports (siehe Veröffentlichungsdatendebatte) tatsächlich etwas obsolet, wobei ich nicht ausschliessen möchte, dass es ab und an dennoch was zu entdecken gibt. Da wären mir dann aber tatsächlich Berichte, die sich mit Musiksparten oder Ländern beschäftigen, garniert mit dem ein oder andren Tipp, wesentlich lieber. Genauso würde ich es bevorzugen wenn die Musikmagazine auf den oben genannten Trend etwas mehr eingehen würden und die Musik etwas globaler sehen, sprich auch besprechen würden, wenn sie noch nicht in Deutschland veröffentlicht ist. Es wird doch immer so gern als Argument gebracht, man kann Musik heute überall bekommen, wenn man denn an ihr interessiert ist, dann bitte schön kann man auch die Grenzen in der Berichterstattung sprengen, wie ich finde. Das wäre – zumindest für mich – ein Bereich der auch einen RS wieder interessant machen würde (wie auch eine etwas größere Reflektionsfläche Vinylveröffentlichungen betreffend). Natürlich müssen auch hier Fakten Recherche und Niveau, Hand in Hand gehen, nur ist mir nicht ersichtlich warum ein Format wie Roots im Radio mit seinen erwiesenermaßen vielfältigen Tipps, nicht auch auf ein Musikmagazin in gewissem Maße übertragbar sein sollte. Ich denke da sollte man auch den Leser in seinem Wunsch an stichhaltiger Information nicht unterschätzen. Und auch wenn das Wort „Infotainment“ ein grausames ist, ich persönlich wäre schon dran interessiert, dass der Entertainmentbereich dabei nicht völlig unter den Tisch fällt (wieder das Kind im Manne), so les ich auch heute noch gerne – schlagt mich nicht – eine Rubrik wie Blind Date (bei der irgendwelche durchaus respektablen Musiker ihre Meinung über andre Musiker abgeben). Ich zumindest finde sowas a) unterhaltend und b) gar nicht mal uninformativ, wenn man denn die richtigen Protagonisten und die richtige Musikauswahl trifft.
Was mich abschliessend zu meinem bis dato eigentlich immer wichtigsten Punkt Musikmagazine betreffend bringt, die Plattenrezensionen und da liegt leider, meiner Meinung nach, Magazinübergreifen vieles im Argen. Oftmals kann ich wählen zwischen dröge, hingeschludert oder zu 90% mit Referenzen zugemüllt. Die wirklich liebevolle Rezension, wie sie für mich z.B ein Uwe Kopf früher gerne mal geschrieben hat, finde ich nur noch selten. Der Rolling Stone hat da mit Joachim Hentschel, Wolfgang Doebeling, Arne Willander und Maik Brüggemeyer sicherlich noch überdurchschnittlich viele Möglichkeiten, die für mich nun halt leider auf Grund der Orientierung des Restheftes momentan flachfallen.
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"Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!