Re: Welchen qualitativen Anspruch habt Ihr an ein Musikmagazin (z.B. den Rolling Stone)?

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herr-rossi
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Sonic JuiceIst der Rolling Stone Euch selbst ein Kulturgut, das das Sammeln und Archivieren lohnen würde, oder nur Informationsträger, den man nach Monatsablauf ins Altpapier gibt?

Ich habe alle Ausgaben ab Nr. 1, sogar in den dafür vorgesehen Ordnern. Und ich nutze die Hefte auch.

Wie sieht für Euch eine ideale Ausgabe des Rolling Stone bzw. überhaupt eines Musik(kultur)magazins aus?

Diese Zweispalter über neue Bands und Künstler halte ich inzwischen auch für weitgehend entbehrlich, was dazu zu sagen ist, passt doch bestens in die Reviews. Das Internet ist inzwischen einfach schneller, wie Mista schon sagte. Was das Internet nicht leisten kann, sind dagegen ausführlichere Analysen und Hintergrundberichte. Die Debatte um den „New Weird Folk“ wäre so ein Beispiel. Mich würde es auch interessieren, neue Genres wie Grime erklärt zu bekommen. Sehr gelungen fand ich vor einiger Zeit einen Artikel, wie das Phänomen Tokio Hotel von den Fans geschaffen wird, das war mal ein interessanter Ansatz, der die Fans nicht nur als willenlose Objekte der Marketingstrategen betrachtet. Überhaupt sollte der Fokus nicht immer nur auf die Bands und Künstler gerichtet sein, ich würde z.B. gerne mehr über Produzenten lesen. Oder die Songwriter, die den Mainstream beliefern, nicht selten mit interessanten Arbeiten. Warum gab es z.B. nie einen Artikel über Max Martin? Oder ein Special über Timbaland?
Den Mix aus aktuellen und historischen Themen finde ich beim RS schon sehr gelungen.

Wollt Ihr hauptsächlich Artikel über Eure (potentiellen) Lieblingsbands mit gelungenen Konsumempfehlungen lesen oder geht es Euch um eine kulturelle Gesamtschau des Phänomens Popkultur, in dem Artikel über Kraftwerk, Tote Hosen, Stones, Sido, Falco, Stockhausen, Entenhausen, Pasolini und die Documenta erstmal gleich interessant sind, wenn sie eben gut geschrieben sind? Lieber ein brillanter Artikel über Tokyo Hotel als ein passabler über David Bowie (hier bitte Lieblingsmusiker einsetzen)?

Zustimmung in allen Punkten. In der neuen SPEX ist z.B. ein ausführlicher Beitrag über die Berliner Hiphop-Szene (Aggro & Co.), die mir musikalisch fern steht, aber es interessierte mich schon zu erfahren, was es damit auf sich hat, ob da nicht vielleicht doch mehr dran aus. Die Zitatcollagentechnik fand ich eher mühselig zu lesen, aber einige nuancierende Einsichten kamen dabei rum. Also, kein Idealbeispiel – aber ich möchte gerne etwas lesen, von dem ich nicht viel weiß. Mir ist es z.B. unwichtig, dass es noch nie ein ABBA-Special gab, weil ich daraus bestimmt nichts erfahren werde, was ich nicht schon weiß.
Ich hab dagegen z.B. mit großem Vergnügen das „Lexikon der Rockgitarristen“ von Rudolf & Schäfer gelesen (komplett!!), beide auch RS-Autoren, musikalisch überhaupt nicht meine Welt, aber das ist einfach sehr unterhaltsam geschrieben, jeder Artikel eine kleine Glosse, sowas würde ich auch gerne gelegentlich im RS lesen. Da trifft inhaltliches Verständnis auf Formulierungskunst.

Nehmt ihr eine Bürgerkriegs-Reportage im Rolling Stone genauso ernst wie eine solche z.B. im Spiegel oder in der ZEIT?

Das lese ich z.B. normalerweise nicht, ich finde es sehr bemüht, eine Musikzeitschrift mit solchen Themen „relevant“ machen zu wollen. Die Musik und das Schreiben über Musik soll relevant sein.

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