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Eine aktuelle Kritik zum neuen Album.
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Songwriter
Schneller als sein Schatten
von Jörg WunderDie Last des Frühvollendeten liegt schwer auf seinen Schultern. Ist es vielleicht doch wahr, dass ein Musikerleben nur ein, vielleicht zwei große Alben abwirft? Und danach? Ryan Adams steht auch mit seiner neuen Platte „Easy Tiger“ im eigenen Schatten. All die Schaffenswut des 32-Jährigen aus Jacksonville, North Carolina – „Easy Tiger“ ist sein neuntes Album in sieben Jahren – führt nur noch tiefer in diese Erkenntnis hinein.
Dabei ist Ryan Adams eine gute, stellenweise ausgezeichnete Platte gelungen. Allein der um einen simplen Chorus errichtete Opener „Goodnight Rose“ ist ein Juwel zeitlosem Songwritings. Das druckvolle „Halloweenhead“ macht als ironisch gebrochener E-Street-Rock Tanzlaune, und das schmachtende „Tears Of Gold“ ist ein Country-Walzer erster Güte. Auch die Balladen sind ergeifend oder wenigstens von ergreifender Schlichtheit. Die Cardinals erweisen sich zum wiederholten Mal als vorzügliche Begleitband, die mit Banjo, Piano und Steel Guitar einen farbenreichen Klangkörper modelliert. Adams lotet in den Songs zumeist die weichen, femininen Seiten seines Stimmvermögens aus. Selbst ein Gastauftritt Sheryl Crows als Duettsängerin stört nicht weiter. Aber dann ist es trotzdem nur das respektable Werk eines sich in der ländlichen amerikanischen Musiktradition glänzend auskennenden Songwriters.
Das ist das Problem. Nach der Trennung von der vielbeachteten Americana-Band Whiskeytown schob Ryan Adams seine Solokarriere mit zwei herausragenden Platten an, daran arbeitet er sich seitdem ab. Das im Herbst 2000 erschienene Debüt „Heartbreaker“ machte seinem Namen alle Ehre: ein Passionszyklus von 15 unter folkig-feingliedrigen Oberflächen vor Intensität vibrierenden Liebesschmerz-Liedern, die einem das Herz brechen konnten. Ein Jahr später holte Adams zum Rundumschlag aus: „Gold“ war das Bigger-than- Life-Album, die monumentale Bestandsaufnahme Amerikas kurz nach der Jahrtausendwende. Ein verschwenderischer, stilistisch überbordender Reigen, für den Bruce Springsteen, Bob Dylan, Neil Young und Gram Parsons ihre Talente in einem luziferischen Pakt verschenkt zu haben schienen.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung im September 2001 tat ein Übriges zur Legendenbildung; wegen der paradigmatischen Hymne „New York New York“ und einer missverständliche Stars’n’Stripes-Coversymbolik wurde Ryan Adams fast für den patriotischen Post-9/11-Backlash vereinnahmt. Ein Missverständnis, mit dem der notorische Einzelgänger rasch aufzuräumen wusste.
Durch den Erfolg von „Gold“ erlangte Adams künstlerische Carte Blanche, die er zum Verdruss seiner Plattenfirma weidlich nutzte. In so rascher Folge erschienen zwischen Herbst 2002 und Winter 2005 seine Platten, dass er es auf den kommerziellen Ruin anzulegen schien. Auf eine irrlichternde Outtakes-Sammlung („Demolition“) folgte kaputter Strokes-Garagenrock („Rock’N’Roll“), darauf ein todtrauriges Ryan-allein-zu-Haus- Doppelalbum („Love is Hell Pt. 1 & 2“), eine brillante Grateful-Dead-Hommage („Cold Roses“), hochinteressante Southern- Rock-Experimente („Jacksonville City Nights“) und eine speckschwartige Country-Kraftmeierei („29“). Keine dieser Platten war ein Ausfall, aber die schiere Quantität ließ einen abstumpfen. Selbst wohlwollende Fans dürften irgendwann den Überblick verloren haben, zumal Ryan Adams nebenbei noch in apokryphen Punkbands spielt, auf seiner Website das Output von elf (!) fiktiven musikalischen Alter Egos zum Runterladen anbietet und ein verschleißendes Tour- und Drogen- Dasein als Pop-Berühmtheit führt.
Ryan Adams’ Schaffensfuror erinnert an den Prince der späten Achtziger, der nach einer Reihe großartiger Platten einen kaum noch kontrollierten Songausstoß verantwortete und schließlich mit wirklichkeitsfremden Aktionen seine Karriere zum Stillstand brachte. Auch Ryan Adams gilt als aufbrausend, die latente Instabilität des kleinen Funk-Genies aus Minneapolis teilt er jedoch nicht. Es wirkt eher so, als ob ihm seine künstlerische Unabhängigkeit über alles geht. Eigentlich ja eine bewundernswerte Eigenschaft.
Nach verhältnismäßig langer Veröffentlichungspause – immerhin 18 Monate – weist die Formkurve bei „Easy Tiger“ zwar nach oben. Eine kleine Enttäuschung bleibt jedoch, weil man das Gefühl hat, hier könnte einer viel mehr zeigen, wenn er nicht mit den Gedanken immer schon bei der nächsten Platte wäre. Man würde ihm die Gelassenheit eines Jeff Tweedy wünschen, dem mit Wilco alle paar Jahre genau die formvollendeten, beseelten Alben gelingen, die man von Ryan Adams erwartet hatte. Immerhin, ein Zeichen der Einsicht könnte sein letztes Stück sein, in dem er verspricht: „I taught myself how to grow old.“ Um alt zu werden, bedarf es eines langen Atems.
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When I hear music, I fear no danger. I am invulnerable. I see no foe. I am related to the earliest time, and to the latest. Henry David Thoreau, Journals (1857)