Re: Pharoah Sanders

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gypsy-tail-wind
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Hab mir auch noch das 1974 erschienene Album Love in Us All angehört.
Es besteht aus zwei langen Stücke, das erste ist dasselbe „Love Is Everywhere“, das schon auf „Wisdom Through Music“ zu hören war (dort in einer bekloppten Mini-Version). Mit den Infos scheint hier etwas nicht ganz zu stimmen, es heisst, beide Stücke kämen von der 1973er Session von „Village of the Pharoahs“, dabei spielen hier klar hörbar zwei Bässe, die zum Auftakt sehr toll spielen – der eine (im linken Kanal) klingt stark nach Cello… könnte wohl Stanley Clarke sein? Der satte Ton im rechten Kanal klingt für mich stark nach McBee. McBee und Bonner sind jedenfalls wohl dabei, ersterer soliert nach dem Gesinge ziellos, aber irgendwie passt das hier alles, atmosphärisch ist das ganz gelungen. Sanders spielt hier Sopransax.
Das zweite Stück, „To John“, ist dann eine richtig tolle Nummer, die wie die Titelsuite auf „Village“ zum besten aus dieser Zeit zählt. Sanders bläst mächtige Tonkaskaden am Tenor, die Rhythmusgruppe mit all der Perkussion geht ausnahmsweise recht heftig zur Sache (also immer noch verspielt und dicht, aber auch groovend, treibend). Sanders öffnet mit dem lyrischen Thema am Tenor, Hannibal (?) spielt Trompete, Plunky Branch vielleicht die zweite Sax-Stimme? Die ersten paar Minuen gehören jedenfalls ganz Sanders, dann folgt ein ziemlich unsubtiles Trompetensolo, das gut zum Eindruck passt, den Hannibal schon anderswo mit Sanders hinterlassen hat, daher gehe ich mal davon aus, dass er das ist. Nach dem Trompetensolo folgt eine wilde kollektive Passage, dann ein weiteres Tenorsolo, das im Mix an der Stelle ist, an der zu Beginn die zweite Stimme war… hat Plunky Branch auch Tenorsax gespielt? Und auf diese Weise? Oder könnte das allenfalls Carlos Garnett oder sonst wer sein? Die Begleitung jedenfalls wird runtergeschraubt, bleibt aber dicht und treibend, das Solo entwickelt sich schön – und flutscht mit der Zeit vom rechten Kanal in die Mitte… und dann steigen Sanders (im linken Kanal) und Hannibal wieder ein, während Bonner und die Rhythmusleute ihr Spiel wieder hochschrauben – bis nach 13 Minuten Bonner fast alleine da steht, die Musik plötzlich verschwindet, nur noch ganz wenig Perkussion und die beiden Bässe begleiten Bonner in einem schönen Solo. Dann übernimmt der Bass im linken Kanal, zunächst im pizzicato, dann, als Sanders wieder mit dem einfachen thematischen Motiv kommt, wechselt er zum Bogen… hymnisch geht’s zu und her, im langsamen Rubato mit donnernden Trommeln zwischendurch. Das Stück klingt lansam aus, der zweite Bass schleicht sich wieder ein, ein arco-Duett, sehr schön.

Hat jemand mehr diskographische Angaben zu diesem Album? Discogs nützt leider wenig; auch auf dem Foldout-Cover steht nichts und im Line-Up fehlt der zweite Bass und auch die Trompete, weswegen ich generell an der Korrektheit zweifle. Bei Lord taucht das Album soweit ich sehen kann nicht auf, bei Bruyninckx steht, es käme wohl von der 1973er Session von „Village…“ (was ich oben mal so übernommen habe, obwohl’s höchstens halb wahr ist, denn wenn’s dieselbe Session war, so waren weitere Musiker dabei).

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