Re: Klassik

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kingberzerk

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clasjazWas die „historischen Aufnahmen“ angeht – ich höre die grundsätzlich gleich wie neuere, den Unterschied mache ich beim ersten Hören nicht, der Klang mag oft übel sein, bestimmte Interpretationsgepflogenheiten seltsam – weil da für heutige Ohren eben meist noch etliche andere drübergelaufen sind -, aber das ich bei Leib- und Magenstücken noch nach neueren Leuten suche, kann ich kaum sagen. Das müssen dann schon „Zufälle“ sein.

Einen dieser Zufälle erlebte ich mit András Schiff und den Französischen Suiten. Aus meiner Sicht gab es vorher nur Glenn Gould und Swjatoslaw Richter. Dann spielte Schiff sie ein und machte etwas für mein Gefühl gänzlich Neues daraus: Sehr zurückhaltend und erzählend, gar nicht auftrumpfend, eher versonnen und geradezu höflich, verglichen zu den stolzen Darbietungen seiner Kollegen. Inzwischen kann ich sie gar nicht mehr anders hören, besonders die G-Dur-Suite, außer meine Frau spielt sie.

Bei Mahler VI. entdeckte ich zunächst die beiden letzten Sätze neu, vor allem natürlich das Finale, weil ich die Partitur zur Hilfe nahm. So wurde ich auf Details aufmerksam, die ich schließlich in Karajans Aufnahme aus den Siebzigern sehr überzeugend wiedergegeben fand. Zuvor hatte ich gedacht, diese Einspielung stehe besonders für Wucht und Kompromisslosigkeit. Doch Karajan, der sich ja ansonsten nicht allzusehr für Mahler engagiert hatte, gelang mit den Berlinern eine bemerkenswerte Nuancierung in Tempo und Ausdruck, und das war in den Siebzigern. Eine Leistung, die ich zuvor gar nicht so recht bemerkt hatte und das Entrückte hervorhob. Zuvor hatte ich die Symphonie eher vom Kopfsatz aus gehört und setzte alles dazu in Beziehung, fortan war es das Finale, das zentrale Bedeutung gewonnen hatte. Die magischen Passagen mit den verzauberten Celesta-Akkorden haben mich für diese Einspielung eingenommen. Eine schöne Brücke in die Gegenwart, der gebügelte Sound der DG war in diesem Fall ein Vorteil, Transparent ist die Tonkonserve zwar nicht so sehr, dafür aber die Interpretation der Partitur.

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Tout en haut d'une forteresse, offerte aux vents les plus clairs, totalement soumise au soleil, aveuglée par la lumière et jamais dans les coins d'ombre, j'écoute.