Re: Bright Eyes

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nail75

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Bright Eyes, Wiesbaden Schlachthof, 19. Juni 2007

Es herrscht fast so etwas wie Urlaubsstimmung am Wiesbadener Schlachthof: Viele, vornehmlich jugendliche Gäste sitzen in der sommerlichen Schwüle im Biergarten und erfrischen sich, bevor sie sich in die stickige Atmosphäre der Konzerthalle begeben, um Bright Eyes zu lauschen. Bright Eyes ist natürlich hauptsächlich Conor Oberst, der junge genialische Singer-Songwriter aus Lincoln im US-Bundesstaat Nebraska.

Spätestens mit der Veröffentlichung seiner vorletzten Alben „I’m Wide Awake“ und „Digital Ash“ hat Oberst sich auch hierzulande eine gewisse Popularität gesichert. So ist der Schlachthof an diesem Abend auch gut gefüllt, wenn auch bei weitem nicht ausverkauft.

Um die opulente Produktion seines letzten Albums „Cassadaga“ umzusetzen, hat sich Oberst mit nicht weniger als zwölf Begleitmusikern verstärkt. Neben einem Stringquartet, stehen nicht weniger als zwei Drummer bzw. Perkussionisten, eine Flötistin, ein Oboist bzw. Saxophonist, ein Keyboarder/Trompeter, ein Gitarrist, ein Bassist und Oberst selbst auf der Bühne, die in wechselnder Besetzung vor allem die Lieder des neuen Albums und einige Highlights seiner früheren Werke spielen.

Wie das Album entwickelt sich Clairaudients auch in seiner Livefassung aus einer gesprochenen Ansage zu der Conor Oberst und seine Band, alle ganz in Weiß gekleidet, die Bühne betreten. Anders als auf dem Album enthält sein Arrangement Streicher und Flöte. So begrüßenswert es auch ist, wenn Künstler sich vielfältiger Instrumentierungen bedienen, das Problem, das den ganzen Abend bestimmen sollte, offenbart sich dadurch bereits im ersten Lied. Ein Konzert bei dem ein Dutzend Musiker auf der Bühne versammelt sind, verlangt nach gutem Klang, der es ermöglicht, die Instrumente einigermaßen klar zu unterscheiden. Davon kann an diesem Abend jedoch keine Rede sein: Der Sound ist übersteuert und verschmiert dadurch in einen Klangbrei, die Streicher und der Bass sind kaum zu hören. Bereits nach dem ersten Lied schreit ein Zuschauer: „Höhen runter!“. Im Laufe des Konzerts verbessert sich der Sound zwar etwas, aber nicht so weit, um ihn als gut bezeichnen zu können.

Einige Lieder kranken zudem daran, dass sie nicht besonders gut bzw. nicht besonders gelungen arrangiert sind. Lime Tree wird nie zu einem umjubelten Klassiker werden und der Cleanse Song ist ebenfalls keine besonders gelungene Komposition. Beide sind sowohl in musikalischer wie in textlicher Hinsicht zu routiniert und kalkuliert und werden zudem von der Band zu wenig lebendig dargeboten. Das Publikum reagiert daher häufig sehr verhalten, oft kehrt zwischen den Liedern völlige Stille ein, die Oberst mit seinen relativ unmotivierten Ansagen nicht merklich verbessern kann. Es mag auch an der schwülen Hitze liegen, dass keine bessere Stimmung aufkommt.

Was bleibt also an Positivem vom Konzert zu berichten? Trotz der Soundprobleme bildete Clariaudients einen gelungenen Einstieg, da es nichts von seiner sperrigen Intensität vermissen ließ. Das vom Publikum freudig begrüßte Four Winds, das Bright Eyes in einer giftigen, aggressiven Version spielen, sorgt – wenigstens kurrzeitig – für wirklich gute Stimmung. Sehr gelungen ist auch die mit Pedal Steel Gitarre und von Conor Oberst am Klavier instrumentierte Version von If The Brakeman Turns My Way oder das in einem gewaltigen, instrumentalen Sturm endende No One Would Riot For Less mit seinem apokalyptischen Refrain „Hell Is Coming“, das von der gesamten Band gespielt wird.

Als Zugabe folgt eine ordentliche Bandversion von First Day Of My Life, die aber nicht mit der rauen Emotionalität der Studioversion mithalten kann sowie At The Bottom Of Everything in kleiner Besetzung mit Pedal Steel, Keyboards und Gitarre. Das Publikum bejubelt die bekannten Songs ausgelassen und zum ersten Mal kommt auf der Bühne so etwas wie Spielfreude auf. Das liegt auch am zweiten (mir unbekannten) Song der Zugabe, der mit außerordentlicher Verve gespielt wird und vielleicht den Höhepunkt des Abends darstellt. Kurz darauf ist das Konzert nach knapp 90 Minuten vorüber, wirkliche Enttäuschung darüber, dass sie nicht noch eine zweite Zugabe spielen, vermag bei mir nicht aufzukommen, denn besser als durchschnittlich waren Bright Eyes an diesem Abend nicht. Vielleicht wäre es ein schönerer Abend geworden, wenn Conor Oberst und Band draußen im Biergarten eine Party veranstaltet hätten und dabei einige Songs gespielt hätten. Sollte man vielleicht für das nächste Konzert ins Auge fassen.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.