Re: Die erste Platte (mit oder ohne Bild)

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Anonym
Inaktiv

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Winter 1974, man ist dreizehn. Peggy March und James Last, die Helden meiner Eltern, verlieren deutlich an Wirkungsmächtigkeit, das vehement einsetzende musikalische Erwachen äussert sich in noch etwas verschwommenen Weihnachtswünschen: „Ich hätte gerne einen Plattenspieler und eine Langspielplatte mit Rock“. Ein retrospektiv äusserst mutiges Verlangen, welches angesichts der Disposition meiner Erziehungsberechtigten ohne weiteres in der Überreichung eines Telefunken Mister Hit sowie der „Teenager Party“ von Peter Kraus hätte enden können. Tat es nicht, aber nur ziemlich knapp.

Der Dreher, als größtes Paket zuerst dem Geschenkpapier entrissen, entpuppte sich als Wunderwerk mit keramischem Tonabnehmer, eingebautem Verstärker und Lautsprecher im abnehmbaren Deckel. Strike, ein Traum war schon mal wahr geworden. Die Platte allerdings, die ich danach der Verpackung entnahm, dämpfte die Begeisterung nachhaltig. Ein Doppel-Album mit dem Besten von Glenn Miller (ebenfalls einer der Eltern-Favoriten) entsprach nicht exakt dem, was mir so vorschwebte. Aber ich war ja nicht blöde: Mein ein Jahr jüngerer Bruder hatte sich in Anerkennung meiner natürlichen Autorität genau das Gleiche gewünscht wie ich. Auch er erhielt also einen Dual 1214, seine LP-Dreingabe, obwohl mir der Name der Band überhaupt nichts sagte, erschien mir hingegen alleine aufgrund des Covers als wesentlich attraktiver als meine Swing-Heimsuchung. Der Deal war schnell gemacht: Zwei Platten (Miller) gegen eine (Genesis, Foxtrot, plus eine Toblerone) – und beide Brüder zogen sich zufrieden in ihre Jugendzimmer zurück. Beseligt Schokolade kauend erlebte ich an diesem Weihnachtsabend meinen ersten Progrock-Flash. Meinem Bruder ist erst etwas später aufgegangen, dass da irgendwas ziemlich schief gelaufen ist.

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