Re: Morrissey Deutschland-Tour 12/2006

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masureneagle

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Wunderbar gelaunt: Morrisseys Tourauftakt in Frankfurt 12.12.2006

Stuttgarter Nachrichten, 14. Dezember 2006
von Anja Wasserbäch

Schwermut Flügel verleihen

Die Engländer lieben Listen: „1000 Places To See Before You Die“, „100l Movies You Have To See Before You Die“, „100l Albums You Must Hear Before You Die“. Wenn irgendwann eine Aufstellung mit Konzerten, die man besucht haben sollte, erscheint, ist ein Auftritt von Morrissey ganz sicher darunter.

Unter Jubelschreien kommt der Grandseigneur der britischen Popmusik auf die Bühne der Frankfurter Jahrhunderthalle, fünf Burschen folgen ihm, und er ruft sogleich das Motto des Abends aus: „Why worry?“ Ist der Herr, bei dem Weltschmerz so wunderschön klingt, altersmilde geworden? Der 47-Jährige startet fulminant: „Panic“, „First Of The Gang To Die“, „The Youngest Was The Most Loved“ – so spannt er den Bogen von den 80em bis zur Gegenwart, von den Smiths bis zum Solokünstler.

In seinen Songs bekommt die Schwermut Flügel. Das wunderbare „Irish Blood, English Heart“ thematisiert die Hassliebe zu seiner Heimat. „You Have Killed Me“ zollt dem Regisseur Pasolini Tribut. Nur bei „I’ll See You In The Far Off Places“ dröhnt der Bass so laut, dass sich Morrissey selbst die Ohren zuhält.

Morrissey ist einer der letzten Dandys, die die Popwelt hat. Und seine Fans vergöttern ihn. „Und immer wenn wir traurig waren – und traurig waren wir ziemlich oft -, gingen wir zu dir nach Hause, und da hörten wir die Smiths“, dichtete Musiker Farm Urlaub. Autor Marc Spitz schrieb über einen, der auszog, die Smiths wieder zu vereinen. Vom „NME“ wurden sie zu den „Greatest Artists Of All Times“ gewählt. So weit, so viel Legendenbildung. Nach siebenjähriger Pause gelang Morrissey mit „You Are The Quarry“ das perfekte Comeback.

Gut gelaunt mit großen, eleganten Gesten

Erst jetzt fiel auf, wie schmerzlich man ihn vermisst hatte.

Nun ist er mit dem Album „Ringleader Of The Tormentors“ auf Deutschlandtour. Auch wenn die Hemden etwas um die Hüfte spannen, die Schläfen grau meliert sind und er zu Beginn ein bisschen aus der Puste kommt – wenn er singt „I’ll Never Be Anybody’s Hero Now“, ist das paradox. Morrissey ist ein Held – in Frankfurt noch dazu ein gut gelaunter mit Hang zur großen, eleganten Geste. Er schwingt das Mikrofonkabel, streicht die Haare zurück, gibt denen in den ersten Reihen die Hand, wirft seine Hemden in die Menge. Die ironische Selbstherrlichkeit steht ihm gut. „Why worry?“ könnte auch das Motto seines derzeitigen Lebens sein.

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