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Es gibt Platten, bei denen schon nach paar Takten klar ist, wie man sie beurteilen soll. Entweder sie hauen einen sofort um – oder man drückt verzweifelt den Auswurfknopf des Players. Und dann wiederum gibt es Alben, die es einem nicht so einfach machen, die man sich quasi mühsam erkämpfen muss, wo man bei jedem Hören neue Details entdeckt oder Nuancen wahrnimmt, die ein Urteil schwer machen. Sunday Wilde’s „What Man?“ gehört dazu.
Beim ersten Hören ist da erst einmal diese Stimme: Eine Frau, fast platzend vor Gefühlen, rauh, stark, wütend, verletzt. Sie singt von ihren oft so frustrierenden Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Und sie nimmt eindeutig kein Blatt vor den Mund. Der Gesang könnte man beschreiben als Billie Holiday als Punk – er erinnert aber genauso an Bluesqueens wie Koko Taylor. So weit, so gut.
Schwierig wird es allerdings mit der musikalischen Begleitung; Wilde’s Pianospiel ist scheinbar fern jeglicher Virtuosität. Hart und trocken treibt sie den Gesang voran und läst jegliche Schnörkel weg. Auch die Gitarren setzen eher kleine klangliche Akzente als dass sie als eigenständige Begleiter wichtig wären. So ein reduziertes Klanggewand (wo selbst spanische Melodielinien wie konstruiert erscheinen) macht es einem nicht leicht, sich in den Liedern fallen zu lassen. „What Man??“ ist so trocken und reduziert wie nur möglich.
Aber genau das ist es letztlich, was diese langandauernde Faszination des Albums ausmacht: Hier ist eine Sängerin und Songschreiberin zu erleben, die sich ganz ohne klanglichen Bombast und damit ungeschützt präsentiert. Nichts erweckt falsche Romantik, jedes Gefühl kommt ungefiltert beim Hörer an. Und nichts lenkt von den wirklich großartigen Bluessongs ab. Kein Wunder, dass Wilde bei den Independent Music Awards in diesem Jahr in der Publikumswertung einen Preis als Songschreiberin erhielt.
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