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W.C. Handy (eigentlich William Christopher Handy) bezeichnete sich selbst als „Vater des Blues“. Auch wenn er den Blues als musikalische Form nicht erfunden hat, so zählt er doch zu den ersten Musikern, die den Namen Blues in einem Musiktitel verwendeten. Und er hat entscheidend zur Popularisierung dieser Musik am Anfang des 20. Jahrhunderts beigetragen.
Handy, der am 16. November 1873 in Florence, Alabama, geboren wurde, war Orchesterleiter, Songschreiber und Publizist. Als einer der ersten „kultivierten“ Orchesterleiter bezog er in seinen Arrangements Elemente des im Mississippidelta populären Blues ein, auch wenn er diese Musik als „primitiv“ betrachtete.
Die ersten als Blues bezeichneten Kompositionen wurden 1912 veröffentlicht:
1. „Dallas Blues“ von Hart Wand, einem weißen Musiker aus Oklahoma City. Die Melodie besteht aus einer einfachen zwölftaktigen Tonfolge, die in drei viertaktige Phrasen unterteilt ist und dem späteren Blues-Schema sehr ähnelt.
2. „Baby Seals’ Blues“ von Arthur „Baby“ Seals, veröffentlicht im Sommer 1912, ist nach heutiger Betrachtung eher ein Volkslied als ein echter Blues. Allerdings enthält er eine Strophe, die später von Bessie Smith bei „Preachin’ The Blues“ samt der dazugehörigen Melodie übernommen wurde:
Sing-em, sing-em
Sing them blues,
‘Cause the cert’ly sound good to me.
I’ve been in love these last three weeks
And it cert’ly is a misery
Sing mir, sing mir
Sing mir die Blues,
denn sie gefallen mir sehr.
Ich war die letzten drei Wochen verliebt.
Es ist wirklich ein Malheur.
Der „Memphis Blues“, der vielerorts noch als erster veröffentlichter Blues-Titel bezeichnet wird, wurde von W.C. Handy schließlich im September 1912 veröffentlicht. Der Titel ist eigentlich ein „Cake Walk“, also ein damals populärer Tanz. Handy war damals der beliebteste Orchesterleiter in Memphis. Der Vater des Blues war damit erst der dritte Komponist, der einen „Blues“ in Druck gab. Und die eigentliche Musik der Farbigen bezog er noch später in seine Kompositionen mit ein (obwohl er selbst auch farbig war)
In seiner 1938 geschriebenen Autobiografie „Father of the blues“ beschreibt er, wie er dazu gekommen ist:
„Ich gestehe, dass ich nur zögernd die einfachen, volkstümlichen Formen verwandte … Für mich als Leiter vieler respektabler konventioneller Kapellen war es nicht leicht, zuzugeben, dass eingewöhnlicher slow-drag der Rhythmus selbst sein könnte …. Aufgeklärt wurde ich in Cleveland, Mississippi, wo jemand bei einer Tanzveranstaltung eine seltsame Bitte zu uns heraufschickte. Auf dem Zettel stand, ob wir nicht „unsere Eingeborenenmusik“ spielen könnten. Ein paar Augenblicke kam schon die nächste Bitte herauf. Ob wir etwas dagegen hätten, wenn eine hiesige farbige Kapelle ein paar Stücke spielen würde? Ob wir etwas dagegen hätten: Wir amüsierten uns. Welcher Hornist konnte während der bezahlten Stunden etwas gegen eine Zigarettenpause haben? Wir verließen dankbar das Podiu, und die Neuankömmlinge traten auf. Sie wurden von einem langbeinigen, schokoladebraunen Jungen angeführt. Ihre Band bestand nur aus einer uralten Gitarre, einer Mandoline und einem heruntergekommenen Baß.
Die Musik die sie machten, entsprach genau ihrem Aussehen. Sie begannen mit einer jener sich immer und immer wiederholenden Phrasen, die keinen deutlichen Anfang und ganz gewiß kein Ende zu haben schienen. Der Rhythmus war quälend monoton, aber es ging weiter und weiter … Ein Regen von Silberdollars fiel zwischen die stampfenden Füße. Die Tänzer gebärdeten sich wie toll. Dollars, viertel Dollars und halbe Dollars – der Regen wurde dichter und dauerte an, während ich den Hals verrenkte, um besser sehen zu können. Dort vor den Jungen lag mehr Geld als meine neun Musiker für den ganzen Abend bezahlt bekamen. Da erkannte ich den Wert der primitiven Musik“
Neben dem „Memphis Blues“ schrieb Handy noch weitere heute längst zu Klassikern gewordene Stücke wie etwa den „St. Louis Blues“, „Yellow Dog Blues“ oder den „Beale Street Blues“. 1917 zog er von Memphis nach New York, wo er bis 1923 mit seiner eigenen Band Platten aufnahm. In den zwanziger und dreißiger Jahren spielte er mit verschiedenen Orchestern zusammen, bevor er in den vierziger Jahren von der Szene verschwand. 1958 starb Handy in New York.
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