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Bin zwar nicht der Verfechter des „Erarbeitens“ (also ein Album 4 Mal hintereinander zu hören), aber daß sich Alben erst nach dem 5. oder 6. Durchgang erschließen, habe ich oft erlebt.
Nur „zwinge“ ich mich nicht dazu, sondern ich fühle in der Regel, daß sich mir das Album nicht erschlossen hat und lege es erst mal zur Seite.
Dann höre ich es mir immer wieder mal an, und da können teils auch Tage/Wochen dazwischen liegen. Meine Stimmungslage ändert sich auch täglich, also werde ich das Album in möglichst verschiedenen Stimmungslagen (mal morgens, mal spät nachts etc.) probieren.
Entweder es funktioniert und es „öffnet sich mir“, oder es funktioniert nicht und ein „Meisterwerk“ bleibt mir verschlossen. Dann kann ich`s auch bleiben lassen…wie z.B. im Fall der The Smiths.
Trotzdem kann es Jahre später (wie kürzlich bei „Grateful Dead“) passieren, daß ich aus einer ganz anderen Verbindung (z.B. Ryan Adams) auf einmal den Zugang finde, und dann loslegen kann…
Warum klappts oft gerade beim „Neuen Album vom Neuen Künstler“ nicht beim ersten Mal?
Weil ich in der Regel den Künstler und seinen Stil/Vorgehensweise/Charakteristik nicht kenne.
Ich nenne es mal die „Persönlichkeit“ des Künstlers.
Wenn ich z.B. von Wilco alle Alben v. „A.M.“ bis „A ghost is born“ gut kenne und den gemeinsamen Nenner herausfilter, bleibt die „Persönlichkeit“ v. Tweedy b.z.w. der Stil von Wilco übrig.
Wenn jemand zum ersten Mal „A.M.“ hört, wird sein erster Eindruck es in die Americana Schiene schieben und ist evtl. mit Vorurteilen behaftet. Das „A ghost is born“ würde er in die eher experimentelle rockige Ecke verfrachten und auch hier hat der Hörer evtl Vorurteile.
Sprich der erste eher oberflächliche Eindruck läßt einen nicht weiter vordringen. Auch der Klang (Sound) hindert manchmal das Weiterkommen/tiefer dringen.
Genau dieses gilt es (aus meiner Sicht) zu überwinden. Mal den Sound, Produktion, Stil beiseite lassen, und versuchen die Songs in ihrer „Essenz“ zu erfassen.
Wie es Tweedy bei seinen Soloauftritten praktiziert.
Langfristig bleiben Alben bei mir nur dann Dauerbrenner, wenn mir der Kern der Musik/der Songs zusagt. Da helfen oft die einfallsreichsten Arrangements und Produktion nichts.
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“It's much harder to be a liberal than a conservative. Why? Because it is easier to give someone the finger than a helping hand.” — Mike Royko