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Der bisherige Lebensweg der nicht einmal dreißigjährigen Französin liest sich in der Tat abenteuerlich:
Nach einer Ausbildung zur Tänzerin und dem Studium der Kunst und Politikwissenschaft und einem
ersten Versuch als Schauspielerin in einem französischen Horrorfilm nimmt Camille Gesangsstunden
bei Julie Trippetts, die unter ihrem Mädchennamen Driscoll mit Brian Auger & The Trinity unterwegs
war, und wird von ihr in die Kunst des Jazzgesangs eingeführt. Camille ist ein Chamäleon, ständig
auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Eine Künstlerin, die ihre buntscheckige Haut bisweilen
ablegt, um freizügig durch ihre Videos („Ta Douleur“) zu hopsen.
Und genau diese Agilität, diese atemlose Spannung kann sie auch auf ihrer zweiten Platte „Le Fil“ in
Töne umsetzen. Es handelt sich offensichtlich um ein Konzeptalbum, an den leisen Schnittpunkten
der einzelnen Lieder summt immer wieder der Ton „B“ aus dem Hintergrund. Unter anderen Umständen
sicherlich nervenzehrend, ist es hier der Ariadnefaden, an dem sich die Sängerin entlanghangelt und
vielleicht auch der Halt, den sie zwischen ihren erstaunlichen musikalischen Experimenten braucht.
Denn in erster Linie ist Camille eine Stimmakrobatin, wie sie in „Janine 3“ oder „Au Port“ eindrucksvoll
unter Beweis stellt. Die minimalistische Instrumentierung der Songs, die meist kaum mehr als eins, zwei
Instrumente umfasst, ist ganz ihrer Stimme unterstellt. Ein Bläsersatz oder eine (meist zwingende) Pop-
Melodie aus dem Keyboard unterstreichen allenfalls die stimmliche Hegemonie. Zuweilen erinnert das an
den schwerelosen Soul einer Erykah Badu („Baby Carni Bird“), aber im Ansatz auch an den leisen
französischen Chanson, dessen konventionierte Strukturen immer wieder geschickt durch einen treibenden
Rhythmus aufgebrochen werden.
Ohne Vorbehalt: ****
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