Re: The Who – "Endless wire"

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sparch
MaggotBrain

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Eigentlich dachte ich ja, ich bin immun gegen Hypes. Gut, ob man im Falle von The Who nun von einem Hype reden kann sei mal dahingestellt, aber ich muss zugeben, dass ich mich von Dave Marsh’s Begeisterung in dessen Special im aktuellen Mojo habe anstecken lassen. Und die beigelegte CD mit The Who Coversongs hat in mir die Lust geweckt, wieder mal ein Album von ihnen zu kaufen. Doch die Begeisterung währte nicht lange, denn schon beim ersten Stück Fragments stellte sich mir die Frage, was denn das soll. Vor allem, warum setzt Pete Townshend plötzlich einen Drumcomputer ein? Ein Drumcomputer in einer Band, in der Keith Moon spielte und Zak Starkey sich dessen Stil einverleibte? Ich bin sicher, genügend hochkarätige Schlagzeuger würden Schlange stehen, nur um einmal für The Who trommeln zu dürfen. Und dieses Baba-Gedüdel wäre ja als Gimmick ganz nett gewesen, hätte man einen guten Song folgen lassen, so aber bleibt Fragments das, was es ist, ein Songfragment. Und noch nicht mal ein gutes, zumindest aber keines, was Lust auf mehr macht. Es wird leider nicht viel besser, Man in a purple dress zeigt Pete und Roger reduziert zur akutischen Gitarre, doch auch das steht ihnen nicht gut zu Gesicht. An der Interpretation scheint es aber nicht zu liegen, oder wie sonst ist zu erklären, dass der Rocker Mike Post Theme doch recht zahnlos wirkt? Vielleicht daran, dass Pete hier selbst zu den Drumsticks greift? Oder doch nur am lauen Songwriting? Ausgrechnet bei In the ether kommt Hoffnung auf. Eine hübsche Pianomelodie scheint die Wende einzuleiten, doch dann setzt Rogers Gesang ein, der so bemüht auf kaputt getrimmt worden ist, dass es den Song beinahe unerträglich macht. Black widow’s eyes ist dann tatsächlich der erste kleine Höhepunkt auf diesem Album und zeigt, dass das Duo Townshend/Daltrey wohl noch nicht alles verlernt zu habe scheint. Der Songs selbst indes wirkt seltsam unfertig und skizzenhaft. Die nächsten beiden Songs machen die aufkeimende Hoffnung allerdings wieder zunichte. Wieder auf das Nötigste reduziert zeigen sie uns, dass das bei The Who scheinbar nicht ausreichend ist. Bei Two thousand years nervt vor allem das ständige Wiederholen im Refrain und God speaks of Marty Robbins ist schlicht und ergreifend langweilig. Und dann passiert es doch noch, das kleine Wunder: Pete Townshend hat mit It’s not enough, übrigens ein bezeichnender Titel, wenn man ihn auf das Album anwendet, einen fantastischen Song geschrieben, der gar nicht mal so The Who typisch klingt, wie manch anderes auf dem Album. Am Ende dann das 10 teilige Wire and glass und ich erspare mir an dieser Stelle die Verwendung des Unwortes. Wenn man mal vom Text absieht, dann wirkt dieses Werk doch eher unausgegoren, wie 10 Teile, die zumindest musikalisch nicht so recht zusammenpassen wollen, was auch daran liegt, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Teilen nicht vorhanden sind oder nur angedeutet werden. Einziger Lichtblick ist hier Mirror door, ein typischer The Who Rocker zwar, aber so etwas hat die Band eben auch schon weitaus besser hinbekommen. Bei Tea & Theatre bin ich dann eingenickt.
Unterm Strich bleibt also ein mehr als fragwürdiges Studiocomeback. 1 1/2 tolle Songs sind einfach zuwenig. Zu wenig für eine Band, wie The Who. Zu wenig für ein Album, auf das manch einer 24 Jahre gewartet hat. Zu wenig für eine Band, die Alben wie Who’s next oder Quadrophenia veröffentlicht hat. Zu wenig für die angeblich beste Rockband aller Zeiten, so zumindest schreibt es Dave Marsh. Zu wenig, um mich zu begeistern… It’s not enough, Mr Townshend.

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If you stay too long, you'll finally go insane.